Der erste Antrag ist auf Grund von Mängeln und
abzusehenden Umweltschäden der Umgebung abgelehnt worden. Wie steht es
aber mit den von der Europäischen Union vorgeschriebenen Richtlinien zum
Schutz von Schweinen? Eine Anlage mit bis zu 67.000 Schweinen verstößt
ebenso gegen das Tierschutzgesetz, wie auch gegen EU-Richtlinien und muss
schon deshalb abgelehnt werden. Gutachten und Berichte vom Deutschen
Tierschutzbund, Die Tierfreunde e.V. oder dem österreichischem Verein
gegen Tierfabriken (VGT) bestätigen eindeutig, dass industrielle
Schweinemastanlagen in solchen Ausmaßen rechtswidrig sind, weil sie in
mehreren Punkten der artgerechten Haltung von Schweinen widersprechen.
Ich möchte Ihnen hier einige Eindrücke vermitteln, die
ich selbst in Schweinemastanlagen mit nur 3000 internierten Tieren
gesammelt habe. Von außen wirkt so eine Anlage wie ein richtiges
Konzentrationslager, Stacheldraht ringsherum, die sehr langen grauen,
fensterlosen Ställe in schlechtem baulichen Zustand, wahrscheinlich noch
aus kommunistischen Zeiten. Vor dem Eingang der Ställe oder in der
Seuchenbox liegen regelmäßig dünne, rosa Körper - tote Schweine. Ein
schreckliches Brüllen ist regelmäßig zur Fütterungszeit zu vernehmen,
Grunzlaute und Quieken vermischt zu einem angst einflößenden
Geräuschsturm, der über die Straßen und die umliegenden Häuser hin
wegfegt. Das würde der Richtlinie 2001/93/EG Kapitel 1.1 widersprechen:
In dem Teil eines Gebäudes, in dem die Schweine
gehalten werden, sind Geräuschpegel von 85 dBA oder mehr sowie dauerhafter
oder plötzlicher Lärm zu vermeiden.
Wenn ca. 1000 Schweine in einem Stall gehalten werden,
dann ist solcherart Lärm gar nicht vermeidbar, demnach die meisten der
industriellen Mastanlagen generell nicht EU-konform.
Danach werden die verstorbenen Tiere gewöhnlich in
einen separaten Raum abtransportiert: ausgewachsene und junge Schweine,
manche mit großen, geschwollenen Bäuchen, angebissenen Ohren oder
unnatürlich rot verfärbt. Zum Beispiel sind acht Tiere als wöchentlicher
Verlust für einen Bestand von 3000 Tieren nichts ungewöhnliches in der
strohlosen, konventionellen Schweinemast: Das sind 137 tote Schweine in
einem Mastdurchgang von 120 Tagen. Jeden Tag stirbt ein krankes Tier, ohne
dass ein Tierarzt die Erkrankten jemals sehen würde, da das Personal gar
nicht jedes einzelne Tier täglich in Augenschein nehmen kann. Laut Antrag
für Haßleben würden auf 85 000 Schweine ca. 50 Mitarbeiter kommen, das
wäre ein Arbeiter für 1700 Tiere oder 3,5 Sekunden, die ein Arbeiter pro
Tag Zeit hätte, um ein Tier zu kontrollieren! Das widerspricht der
Richtlinie 98/58/EG über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere, Anhang
1, Personal:
Für die Tierpflege muss genügend Personal vorhanden sein [...]
und widerspricht ebenda Anhang 2, Kontrollen:
Alle Tiere in Haltungssystemen, bei denen das
Wohlergehen der Tiere von regelmäßiger menschlicher Versorgung abhängig
ist, müssen mindestens einmal am Tag kontrolliert werden.
Wie soll eine Person allein mehrere hundert oder
tausend Tiere jeden Tag einzeln kontrollieren, damit alle Wunden oder
innere Krankheiten entdeckt werden? Wie soll das praktisch ablaufen? In
den industriellen Tierfabriken wird wegen einem erkranktem Tier kein
Tierarzt gerufen. Wenn das Schwein nicht an den Folgen seiner Krankheit
stirbt, dann verdurstet oder verhungert es, weil es sich nicht zum Trog
oder der Tränke bewegen kann. Die toten Tiere werden dann vielleicht beim
Fütterungsdurchgang entdeckt und an Drahtschnüren herausgezogen. Die
Artgenossen in der Bucht müssen bis dahin mit einem Kadaver eng
zusammenleben. Widerspricht Richtlinie 98/58/EG über den Schutz
landwirtschaftlicher Nutztiere, Artikel 3:
[...] dass der Eigentümer oder Halter alle
geeigneten Maßnahmen trifft, um das Wohlergehen seiner Tiere zu
gewährleisten und um sicherzustellen, dass den Tieren keine unnötigen
Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden.
Der beschriebene Fall eines kranken Tieres in
Intensivhaltung widerspricht außerdem ebenda, Anhang Kontrollen, Absatz 4:
Weist ein Tier Anzeichen einer Krankheit oder
Verletzung auf, so muss es unverzüglich ordnungsgemäß versorgt werden;
spricht ein Tier auf diese Maßnahme nicht an, so ist so rasch wie möglich
ein Tierarzt hinzuzuziehen. Erforderlichenfalls sind die kranken oder
verletzten Tiere gesondert in angemessenen Unterkünften unterzubringen und
gegebenenfalls mit trockener und angenehmer Einstreu zu versehen.
In der Intensivschweinemast kommt es oft vor, dass der
Betreiber aus Kostengründen, das Licht nur zur Fütterungszeiten
anschaltet, also im schlimmsten Fall nur ein bis drei Mal am Tag. Da die
Ställe nicht über normale Fenster oder für die Stallfläche proportional zu
kleine Lichtschlitze verfügen, bekommen die Schweine während der gesamten
Haltung kein Tageslicht zu sehen und unzureichend Kunstlicht. Das
widerspricht der Richtlinie 2001/93/EG Kapitel 1.2:
Schweine müssen mindestens acht Stunden pro Tag
bei einer Lichtstärke von mindestens 40 lux gehalten werden.
Kein Veterinäramt kann diese Regelung jeden Tag in
solchen gigantischen Anlagen kontrollieren.
Eine industrielle Schweinemast mit 67 000 Tieren steht
auch im krassen Gegensatz zu dem was in Richtlinie 98/58/EG Anhang 7 zum
artgerechten Platzbedarf und Bewegungsfreiheit vermerkt ist:
Die der praktischen Erfahrung und wissenschaftlichen
Erkenntnissen nach artgerechte Bewegungsfreiheit eines Tieres darf nicht
so eingeschränkt sein, dass dem Tier unnötige Leiden oder Schäden zugefügt
werden.
Die unzureichenden Haltungsbedingungen von Schweinen
wurden von der EU-Kommission schon 1997 folgendermaßen kritisch
zusammengefasst:
Die Stellungnahme des Wissenschaftlichen
Veterinärausschusses vom 30. September 1997 enthält Schlussfolgerungen
dahin gehend, dass Schweine in einem Umfeld leben sollten, das es ihnen
gestattet, ihren Bewegungs- und Spürtrieb zu befriedigen, und dass die
Tiere wegen akuten Platzmangels in den derzeitigen Haltungssystemen nicht
ausreichend geschützt sind. (Richtlinie 2001/88/EG, Absatz 4)
Ein weiterer tierquälerischer Punkt, der dem Investor
van Gennip schon in seinem Schweinelager in Sandbeiendorf nachgewiesen
wurde, ist die fehlende Sauberkeit, wie man in den Filmaufnahmen und
Fotomaterial von Die Tierfreunde e.V. sehen kann. In Richtlinie 91/630/EWG
Anhang 8 steht aber:
... damit jedes Schwein einen sauberen Platz zum
Liegen hat ...
und in Anhang 11 ebenda:
... Die Fläche zum Liegen muss bequem, sauber und
ausreichend drainiert sein und darf den Schweinen keinen Schaden zufügen.
Bei den Aufnahmen in Sandbeiendorf waren viele Maden
und Fliegenlarven unter den Spaltböden zu sehen, die sich auf dem Kot und
Urin der Tiere befanden. Bei der Haltung auf Spaltböden als solches, kann
man nicht von einem sauberen Ort zum Leben und Liegen reden, da sich die
Tiere ihr ganzes Leben über ihren eigenen Kot aufhalten müssen. Die
schlechte Luft in den beengten Ställen führt außerdem zu Lungenschäden.
Dass Schweine natürliches Material und Gegenstände zur
Beschäftigung brauchen wird ebenda im Anhang 16 vermerkt:
Neben den üblichen Vorkehrungen zur Verhinderung
von Schwanzbeißen und sonstigem Fehlverhalten müssen alle Schweine unter
Berücksichtigung der Haltungsbedingungen und der Besatzdichte über Stroh
oder anderes geeignetes Material bzw. Gegenstände verfügen, um ihre
verhaltensmässigen Bedürfnisse zu befriedigen.
Eine Haltungsform mit fehlendem Freiraum und ohne Stroh
führt zu Langeweile und Aggressionszunahme, zu Passivität und
Kauerstellung und vermehrtem Liegen der Tiere, was sie in artgerechter
Haltung niemals tun würden. Die Tiere werden in der Intensivhaltung zu
schnell gemästet: Innerhalb von 120 Tagen nehmen sie um die 70 kg zu, was
die Knochen und das Herzkreislaufsystem überlastet; wie oben beschrieben
sterben viele der Tiere an Herzversagen, nur hervorgerufen durch die nicht
artgerechte Haltungsform. Der harte Spaltenboden verursacht
Klauenverletzungen und Gelenkentzündungen, die keine tierärztliche
Betreuung bekommen, wie man auch bei den Tieren in Sandbeiendorf im Film
nachweisen konnte.
Die genauen Ausführungen in EU-Richtlinien zeugen
davon, dass man in Europa erkannt hat, dass konventionelle
Schweineintensivzucht und -haltung nicht mehr zeitgemäß ist. Wenn Herr van
Gennip in seiner holländischen Heimat keine Genehmigung mehr bekommt,
Schweine zu mästen, dann ist das kein Zeichen dafür, es stattdessen
woanders in der EU fortzuführen. Wir haben die Filmaufnahmen aus seinem
Schweinelager im Sandbeiendorf gesehen - alles Indizien dafür, dass so
keine Schweinemast und -zucht aussieht, die innerhalb der EU genehmigt
wäre, wenn die Richtlinien eingehalten werden würden. Im Übrigen müssten
alle oben genannten EU-Richtlinien spätestens ab dem 01.01. 2003 in den
Mitgliedsländern im lokalen Recht und in der Praxis umgesetzt worden sein.
Die Unterzeichner möchten erwirken, dass sich das
Landesumweltamt Brandenburg zu einer Ablehnung der Antrages von Herrn van
Gennip entschließt, da die geplante Tierfabrik Europäisches Recht und vor
allem die Würde des Tieres verletzt. Die Unterzeichner dieses
Protestschreibens, appellieren an Ihr ethisches und rechtliches
Urteilsvermögen: Geben Sie dem Leben der Schweine eine Chance. Lassen Sie
nicht zu, dass in Haßleben tausende Schweine in unwürdigen Verhältnissen
gehalten werden und dort die Umwelt mit den bekannten Auswirkungen der
Schweineintensivhaltung ruiniert wird.
Mit freundlichen Grüßen
Quellen:
EU-Richtlinien (91/630/EWG, 2001/88/EG, 2001/93/EG) zum Schutz von
Schweinen und landwirtschaftlichen Nutztieren (98/58/EG):
http://www.tierimrecht.org/de/tierschutzrecht/eu/gesetzgebung.php
http://europa.eu/legislation_summaries/food_safety/animal_welfare/l12057_de.htm
www.kontraindustrieschwein.de/video/sandbeiendorf .wmv
www.die-tierfreunde.de/inhalte/recherchen/allgemein/hassleben_mai08.htm
Deutsches Tierschutzbüro,
www.tierschutz-videos.de, Dokumentation: Schweinerei im Schweinestall
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