Agrarfabrik statt Agrarwende?

 

Geplante Schweinmastanlage im brandenburgischen Haßleben ist tierschutzwidrig und belastet Mensch und Umwelt

München, Bonn und Berlin, den 18. Mai 2005
 

Die „Allianz für Tiere in der Landwirtschaft“, ein Zusammenschluss führender Organisationen im Bereich des Tierschutzes sowie des Umwelt- und Verbraucherschutzes, wendet sich mit Nachdruck gegen die geplante Wiederinbetriebnahme einer alten DDR-Schweinemast- und zuchtanlage in Haßleben (Brandenburg). Die Frist für Einwendungen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens läuft in diesen Tagen aus.

Der holländische Großinvestor van Gennip plant den Umbau einer 1991 stillgelegten Mastanlage, in der 85.000 Schweine unter unwürdigen Bedingungen gehalten werden sollen. „Schweine sind gesellige und neugierige Wesen“, so Wolfgang Apel, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. „Was ihnen in Haßleben geboten wird, ist reinste Qual,“ so Apel weiter:

Die Tiere werden unnötig fixiert, verbringen ihr Leben in zu dunklen Räumen ohne Tageslicht, haben kaum Möglichkeiten, sich artgemäß zu beschäftigen oder in Gruppen zu leben.
Vor allem die geplante Haltung der Muttersauen in Einzelhaft, sog. „Kastenständen“, ist eindeutig tierschutzwidrig und widerspricht in der geplanten Form sogar geltendem EU-Recht, stellt Apel klar.


Da dies Thema nicht nur den Tierschutz berührt, sondern auch den Umwelt- Natur- und Verbraucherschutz ruft er zum gemeinsamen Widerstand gegen die Schweinequal auf. Der Deutsche Tierschutzbund hat mit Unterstützung seines Landesverbandes und dem örtlichen Tierschutz offiziell Einwendungen gegen den Bau erhoben, um das Vorhaben noch in der Planungsphase zu stoppen.

Auch Umwelt- und Naturschutz laufen Sturm. Verschiedene Gutachten haben nachgewiesen, dass die geplante industrielle Massentierhaltung in Haßleben durch die täglich anfallende Gülle der 85.000 Tiere gravierende Belastungen für angrenzende Naturschutzflächen, Wälder, Seen und Luft nach sich ziehen wird. Das Naherholungsgebiet, keine 100 Kilometer von Berlin entfernt, liegt zwischen dem Naturpark Uckermärkische Seen und dem Biosphärenreservat Schorfheide/Chorin. In Hassleben stand bis zur Wende Europas größte Mast- und Zuchtanlage für Schweine. „Unter den vorgesehenen Güllefeldern sickert noch immer Nitrat von der Gülle der DDR-Schweinehaltung ins Grundwasser. Wenn jetzt genehmigt wird, dass erneut Gülle von oben nachkommt, ist das mit dem Vorsorgeansatz der Grundwasser-Richtlinie nicht zu vereinbaren,“ sagt Dr. Angelika Zahrnt, Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „Die geplante Anlage wird den Tourismus in dieser strukturschwachen Region zum Erliegen bringen ,“ so Zahrnt weiter. „Wer macht schon zwischen Lastern mit Schlachtvieh und Gülle, zwischen sterbenden Wäldern und umgekippten Seen Urlaub? Der Schutz der Umwelt ist immer auch langfristiger Schutz der Wirtschaft.“

 

Wohnhäuser von Haßleben und alte Schweinemastanlage, die reaktiviert werden soll.

In der neuen Anlage in Haßleben sollen 50 Arbeitsplätze entstehen. Das bedeutet rein rechnerisch, dass 1 Person für 1.700 Tiere zuständig ist. Eine Einzeltierbeobachtung ist da nicht möglich, stattdessen wird sich erfahrungsgemäß die „Gesundheitsvorsorge“ durch Antibiotika im Futter erhöhen. Auch die Krankheitsanfälligkeit der Tiere nimmt mit der Intensität der Tierhaltung nachweislich zu. „All das widerspricht auch den vitalen Interessen der Verbraucher“, sagt Prof. Dr. Edda Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv). „Die Menschen wollen gesunde Lebensmittel von gesunden Tieren.“ Der Wunsch der Verbraucher nach preiswerten Lebensmitteln, dürfe nicht als Vorwand genommen werden, Tiere zu quälen und die Natur und Umwelt zu schädigen und somit langfristig die Qualität der Lebensmittel zu senken, so Müller weiter.

Befürworter der industriellen Schweinehaltung in Haßleben führen die neu entstehenden Arbeitsplätze als Argument an. Dazu nimmt Prof. Dr. Franz-Theo Gottwald, Vorstand der Schweisfurth-Stiftung, Stellung: „Mindestens ebenso viele, wenn nicht noch mehr Arbeitsplätze werden durch die neue Agrarfabrik vernichtet.“ Gottwald verweist darauf, dass vor Ort der Wert vieler Grundstücke sinken werde, andere Unternehmen das zunehmend unattraktive Umfeld meiden würden und angesichts rückläufiger touristischer Nutzung die Zimmervermietungen abnehmen und die örtliche Gastronomie Gäste verlieren werde. „Ob die lokale Ökonomie wirklich profitiert, ist zweifelhaft.“ Hinzu komme, dass durch industrielle Tierproduktion zahlreiche Arbeitsplätze in der bäuerlichen Landwirtschaft verloren gingen, weil diese dem wachsenden Preisdruck nicht mehr standhalten könne. „Industrialisierungsprozesse in der Landwirtschaft schaffen keine Arbeitsplätze, sie vernichten sie,“ so Gottwalds Fazit.

Die Vertreter der „Allianz für Tiere in der Landwirtschaft“ sind sich darin einig, dass die geplante Mastanlage nicht nur den gesetzlichen Vorgaben des Tier-, Natur- und Umweltschutzes widerspricht, sondern auch den langfristigen Interessen der Verbraucher und der Menschen vor Ort. „Im Industrieschwein liegt keine Zukunft – weder für diese noch für andere Regionen.“ Die Allianzpartner verbinden diese Einschätzung mit dem Appell an die politisch Verantwortlichen, mit den Bürgern vor Ort in einem offenen Dialog Leitbilder und alternative Strategien für eine nachhaltige Gestaltung der Region zu entwickeln – statt den Profitinteressen und zweifelhaften Versprechungen einiger weniger zu folgen.


Bündnispartner der „Allianz für Tiere in der Landwirtschaft“ sind:
  • Bund für Umwelt und Naturschutz e.V. (BUND)
     
  • Deutscher Tierschutzbund e.V.
     
  • Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv)
     
  • Schweisfurth-Stiftung
Nähere Infos: www.allianz-fuer-tiere.de
Kontakt: Dr. Manuel Schneider, Valleystr. 36 Rgb., 81371 München
Fon: 089/767589-55, Fax: -56, E-mail: info@make-sense.org

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