Umweltzerstörerische Produktion der DDR wieder hoffähig ? 1. Zur Entwicklung der industriellen Mast in Deutschland Die Konzentration von Produktion in privater Hand findet z. Z. in fast allen Branchen statt. Sie geschieht unter den Bedingungen eines gnadenlosen Verdrängungswettbewerbes, den nur der überlebt, der seine Gewinne privatwirtschaftlich zum Zwecke der Konkurrenzfähigkeit maximiert. Damit werden nach und nach die angeblich so förderwürdigen, arbeitsplatzintensiveren klein- und mittelständigen Betriebe systematisch ruiniert. Um dieses Recht des Stärkeren juristisch abzusichern, werden die entsprechenden nationalen und internationalen Gesetze von den Lobbygruppen großer Unternehmen entscheidend geprägt oder mindestens in ihrem Interesse beeinflusst. Eine solche Entwicklung erfasste die Landwirtschaft des Westens bereits vor 30 Jahren. Das noch heute andauernde Hofsterben ist dafür charakteristisch. Insbesondere die Tierhaltung wurde zuerst von der traditionell bäuerlichen Produktion abgekoppelt. Viele Landwirte versuchten, durch technische Perfektion ihre ländliche Existenz zu retten. Den großen Investoren kam es jedoch darauf an, möglichst automatisch viel Fleisch durch Lebewesen wie jede andere Ware gewinnbringend herzustellen und so die Märkte zu beherrschen. Der geistige Zusammenhang zwischen dieser Perversion unserer christlichen Kultur und den technisch durchorganisierten Kriegen und anderen industrialisierten Massenmorden ist offensichtlich. In beiden
deutschen Staaten verlief die Entwicklung der Intensivtierhaltung etwas
unterschiedlich. In der DDR entstanden um 1975 z.T. riesige Großbetriebe
der industriellen Mast für Schweine, Rinder und Geflügel. Sie produzierten
überwiegend und billig für westliche private Unternehmen. Zusätzlich besaß
in den letzten 10 Jahren der DDR fast jede LPG kleinere
Massentierhaltungen. Die z.T. katastrophalen Auswirkungen auf Boden,
Gewässer, Grundwasser und Wälder dauern heute noch an. 2. Der Fall Haßleben
Die zweitgrößte Anlage Deutschlands mit 85.261 Tierplätzen und gut 50 Arbeitsplätzen soll im Innenbereich des Dorfes Haßleben / Kreis Uckermark gebaut werden. Sie ist geplant auf dem Gelände des früheren Schweinezucht- und Mastbetriebes (SZM). Nur 2 von den 4 Modulen sollen mit Schweinen besetzt werden, jedoch je Modul 42.000 statt damals 34.000 Tierplätze. Von 1978 bis Frühjahr 1991 waren hier durchschnittlich 136.000, von 1987 – 1989 127.000 Tierplätze belegt. Der Standort liegt an einer Endmoräne, die zugleich Wasserscheide zwischen Ost- und Nordsee ist. Im Untergrund herrschen z.T. karstähnliche Verhältnisse (Stauchmoräne). Die alten und neuen Begüllungsflächen reichen in die Quellgebiete der Erholungsgewässer des Altkreises Templin hinein. Deshalb lehnte die Wasserwirtschaft 1974 / 75 den Standort als ungeeignet für Tierkonzentrationen ab. Die Politik setzte sich aber schon damals darüber hinweg. Heute liegt die künftige Schweinemastgroßanlage völlig umgeben von FFH- und Naturschutzgebieten (Stromtal, Buchenwälder, Seen ect.), zwischen dem Naturpark Uckermärkische Seen und dem Biosphärenreservat Schorfheide / Chorin. Es handelt sich um sehr ansprechende Landschaften mit touristisch attraktiven Orten wie z.B. Boitzenburg, Kuhz, Gerswalde, Warthe, Jakobshagen, Klaushagen usw.. 2.1 Altlasten auf dem Acker Die durch den SZM hervorgerufenen Umweltschäden sind katastrophal. Auf 80 % der Begüllungsflächen haben sich nach der 10–12 jährigen Begüllung jährlich Stickstoffbilanzüberschüsse von 200 – 500 kg unterhalb der Ackerkrume in bis 5m Tiefe angesammelt (2). Ähnlich verhält sich der Trend bei Kalium und Magnesium, sogar bei Phosphor. Entsprechend dem substratabhängigen Sickerwasser–Weg / Zeitverhalten (bis über 100 Jahre) wandern die Stoffe nach und nach in die Oberflächengewässer und ins Grundwasser (7). Die noch 1993 als Hochlastflächen bezeichneten Flächen dürften nicht wie geplant erneut begüllt werden. Sie sind meist in 80 cm Tiefe drainiert, ihre Sammler enden in den Seen. 2.2 Schäden an Baumbeständen und Waldböden Optisch deutlich erkennbar sind die schädlichen Veränderungen, die im Wald in wenigen Jahrzehnten stattgefunden haben. Darüber ist weltweit publiziert worden. Hier spielt vor allem der aus dem Gleichgewicht geratene Hauptnährstoff Stickstoff eine dominierende Rolle (4). Seine enormen lokal konzentrierten und diffusen Depositionen führen zu einer Art Schock für Baumbestände und Boden. Auf den ärmeren Standorten unter Kiefer kommt es zu Veränderungen des Bodenlebens, zum Rückgang von Feinwurzeln und Mykorrhiza-Pilzen, zur Zunahme von Windwürfen und Totholz, nach anfänglichem hohen Zuwachs zu phasenhaftem akzelerierten Wachstum, zu Wuchsstockungen, einer allgemeinen Schwächung mit nachfolgender Zunahme von Sekundärschädlingen (Pilze, Insekten) und zu einer stärkeren Ausbildung der Bodenvegetation. Diese führt in Trockenzeiten zu Wassermangel und dem Ausfall der Grundwasserneubildung. Auf den reicheren Standorten unter Laubholz erfolgen zusätzlich Zusammenbrüche des bisher intakten Stickstoffhaushaltes mit deutlichen Stickstoffauswaschungen (3, 6, 7, 10, 11) und Versauerungen im Mineralboden (Rückgänge der Basensättigung, siehe 3, 6, 10, 11). Besonders davon betroffen sind die Lehmstandorte. Häufige Mastjahre z.B. bei der Buche tragen ebenfalls zur Schwächung der Baumbestände bei, die Frosthärte der Gehölze lässt nach. Die Hälfte der Humusformen (Auflagehumus) ist bereits disharmonisch, d.h. es bestehen Differenzen zwischen Stickstoff- und Säure-Basenstufen.
2.3 Stickstoffbelastung und Güllewirtschaft Das jahrzehntelang bekannte
Problem der Überdüngung unserer Landschaften, vor allem mit Stickstoff,
wird im neuen Schweinemastprojekt Haßleben trickreich umgangen, die
erheblichen Vorbelastungen einfach ignoriert. Auch die entsprechenden
Angaben der im April 2005 öffentlich ausgelegten Unterlagen sind falsch
oder so weit wie zulässig heruntergerechnet. Damit fehlt eine
Risikoabschätzung, die den tatsächlichen Umweltbedingungen entspricht. Die
85.261 Tierplätze produzieren jährlich mindestens 860.000 kg N (Stickstoff
insgesamt), davon 213.000 kg Ammoniak (NH3). Dieser enthält
170.000 kg Reinstickstoff (N-NH3).
Der
vorstehende Vergleich zeigt, wie viel Ammoniak (NH3) bzw.
Reinstickstoff des Ammoniaks (N-NH3) pro Jahr (a) mindestens
direkt aus der Anlage in den Innenbereich von Haßleben sowie in die
angrenzenden Wälder freigesetzt wird und wie weit diese Mengen Tierplätzen
mit vollem Ammoniakaustrag entsprechen. Dabei zeigt sich, dass das akute
Stickstoffproblem durch technische Verbesserungen nicht gelöst, sondern
nur von der Luft- in die Wasserphase verlagert wird. Ganze 6 % des in
der Anlage produzierten Stickstoffs werden immissionsschutzrechtlich
bearbeitet. Über den Verbleib von 94 % fehlen jegliche konkrete
Nachweise einer nicht umweltschädlichen Verwertung. Dieser Stickstoff geht
in die Gülle und nach dem Durchlaufen der Biogasanlage in den
Verantwortungsbereich des Gülle ausbringenden Landwirtes über. Ihm ist es
überlassen, mit welcher Technik er wie viel Emissionen freisetzt und bei
welcher wechselhaften Witterung er die Güllenährstoffe durch die
Ackerkrume spülen lässt. Nachweise, ob er mittels moderner Technik und
entsprechenden Fruchtanbau die Gülle überhaupt emissionsarm ausbringen
kann, werden von ihm nicht gefordert. Die geplanten 9.226 ha
Gülleausbringungsflächen unterliegen keiner Kontrolle und sind auch
immissionsschutzrechtlich nicht erfasst. Da laut Projekt der
Nährstoffbedarf dieser großen Flächen durch die Begüllung nicht gedeckt
werden kann, muss noch zusätzlich Kunstdünger eingesetzt werden. Damit
wird die Gülledüngung noch uneffektiver und umweltgefährdender. Es ist
ohnehin immer risikoreich, Dünger und Abprodukte flüssig auszubringen. Die
Gülledüngung ist auch aus anderen Gründen nicht mehr zu verantworten.
Massentierhaltungen benötigen aus hygienischen Gründen Wasser mit
Trinkwasserqualität aus den unteren Stockwerken. Dort braucht es zu seiner
Ansammlung Jahrzehnte und Jahrhunderte. Die Grundwasserneubildung lässt
jedoch heute infolge Klimawandel und Eutrophierung selbst in den oberen
Stockwerken nach. Eine Trinkwasserknappheit ist somit in den kommenden
Jahrzehnten vorprogrammiert. 2.4 Transporte auf der Straße Aus den 85.261 Tierplätzen errechnen sich 10.095 Großvieheinheiten (GV). Im Vorprojekt ergaben 84.340 Tierplätze noch 10.450 GV ! Bei 3,25 Mastdurchgängen im Jahr werden 171.600 Mastschweine und 152.500 Ferkel „produziert“. Man rechnet mit 5 % Verlust: 7.600 Ferkel, 8.500 Mastschweine. Sie müssen per LKW weggeschafft werden. Im Gegensatz zum alten SZM, wo alle Transporte, außer denen des Schlachtviehs, über Bahn und unterirdische Rohrleitungen liefen, ist man in der neuen Anlage völlig auf den Straßentransport angewiesen. In Spitzenzeiten verlässt und erreicht alle 4 – 7 Minuten ein LKW die Anlage, eine schwere Zusatzbelastung für unsere z.T. schmalen öffentlichen Straßen. Die Hälfte der 30-Tonner-Güllefahrzeuge muss die kurvenreiche Unfallstrecke Haßleben – Prenzlau (B109) und durch Prenzlau fahren. 2.5 Die neue Anlage soll trickreich durchgesetzt werden
Umweltschützer versuchten nach 1991 umweltfreundliche Produktionen auf dem
erschlossenen Industrieareal anzusiedeln. Es scheiterte an den 46
Millionen DM Schulden, die über einen hohen Kaufpreis beseitigt werden
sollten. Ab 1994 unterstützte das Land Brandenburg den Aufbau neuer
Schweinemastgroßanlagen mit 80 – 100.000 Tierplätzen. Es stellte sich
natürlich immer heraus, dass so ein großes Objekt raumordnungsrelevant
war. Als der neue Investor van Gennip auftauchte, erklärten deshalb die
zuständigen Behörden sofort, dass kein Raumordnungsverfahren nötig sei,
man werde es natürlich prüfen. Van Gennip kaufte die Fläche,
offensichtlich mit einem um mindestens 13 Millionen Euro dezimierten
Preis. Es besteht der Verdacht, dass das Land diese Summe bezahlt hat, um
dem Investor den Kauf zu ermöglichen. Schließlich hat in Brandenburg der
Einsatz von Steuermitteln in fragwürdige private Unternehmen schon
Tradition. So gibt es eine mehrheitliche Unterstützung des Investors durch
die Landesregierung, den Landkreis, den Kreistag, den Gemeinderat, die
Parteien, die heimische Presse und den Bauernverband. Im Sinne des
Investors arbeitet ein Bürgeraktiv „Pro Schwein“. Die Mehrheit der
Bevölkerung verhält sich indifferent. Ähnlich reagieren auch die
Tourismusverbände, die Kirchen und die Naturschutzorgane des Landes und
des Bundes. Selbst die meisten Naturschutzverbände reagieren halbherzig.
Es existiert jedoch eine kleine aktive Bürgerinitiative „Kontra
Industrieschwein Haßleben“.
Templin, den 21.07.05 Ernst Pries Literaturangaben 1. ASMAN, VAN JARSVELD,1992 : A variable – resolution transport model applied for NHX for Europe. Atmospherie Environment 26A : 445 - 464 2. ASMUS;F. et.al. 1993 : Aufnahmen und Gefährdung des Gefährdungspotentials der Uckermärkischen Schweinezucht - und Mast – GmbH Haßleben sowie Vorschläge zu Art und Umfang einzuleitender Entsorgungs- und Sanierungsstrategien für dieses Gebiet. Forschungsbericht FM / H 91 – 346. 14 / 46 – 20, Universität Potsdam 3. BLOCK, J. 2002 : Belastung des rheinland – pfälzischen Waldes durch Ammoniak-Emissionen aus der Landwirtschaft. Forst und Holz, 57. Jahrgang, Nr. 1 /2 (15.01.2002) 4. Böhme, F., RUSSOW, R. 2002 : Formen der atmogenen N-Deposition und deren Bestimmung in Agrarökosystemen unter besonderer Berücksichtigung der 15N-Isotopen-verdünnungsmethode (JTNJ). Worksshop „N-Depositionen in Agrarökosystemen“ 2-3.5.02. Umweltforschungszentrum Leipzig – Halle GmbH 5. KOPP,D., KIRSCHNER, G. 1992 : Fremdstoffbedingter Standortswandel aus periodischer Kartierung des Standortszustandes in den Wäldern des nordostdeutschen Tieflandes nach Ergebnissen der Standortserkundung. Beiträge für Forstwirtschaft und Landschaftsökologie 26 (1992) 3 / 4. 6. KOPP,D., JOCHHEIM, H. 2002 : Forstliche Boden- und Standortsdaten des Norddeutschen Tieflandes als Datenbasis für die Landschaftsmodellierung, Verlag Dr. Kessel, Remagen- Oberwinter 7. MELLERT, K.H., GENSIOR, A., KÖLLING, C. 2005 : Verbreitete Nitratbelastung des Waldsickerwassers. AFZ – Der Wald 4 / 2005 8. MOHR, H. 1994 : Stickstoffeintrag als Ursache neuartiger Waldschäden, Spektrum der Wissenschaft, Heft 1 (1994) 9. Nationaler Inventarbericht 2004 – Berichterstattung unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen : Teilbericht für Quellgruppe Landwirtschaft, Institut für Agrarökologie, Braunschweig, Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) 10. NIEDER, R., WACHTER, H., ISERMANN, K. 2000 : Erhöhte Stoffausträge bald auch aus Waldböden ? AFZ / Der Wald 11 / 2000 11. PRIES, E: 2005 : Veränderungen der Waldböden und ihrer Vegetation im Umfeld des SZM Haßleben (bis 21 km) unter Berücksichtigung anderer Tierhaltungsanlagen im Nahbereich (bis 5 km) nach 20 Jahren (1976 – 78, 1996 – 1998), Tabelle, Erklärungen und Legende, Schwerpunktauswertung mit Lage der Aufnahmepunkte, unveröffentlicht 12. 1.Umweltgutachten 2004 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, Deutscher Bundestag, Drucksache 15 / 3600, 2.7.2004 |
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