Umweltzerstörerische Produktion der DDR wieder hoffähig ?

 1. Zur Entwicklung der industriellen Mast in Deutschland

Die Konzentration von Produktion in privater Hand findet z. Z. in fast allen Branchen statt. Sie geschieht unter den Bedingungen eines gnadenlosen Verdrängungswettbewerbes, den nur der überlebt, der seine Gewinne privatwirtschaftlich zum Zwecke der Konkurrenzfähigkeit maximiert. Damit werden nach und nach die angeblich so förderwürdigen, arbeitsplatzintensiveren klein- und mittelständigen Betriebe systematisch ruiniert. Um dieses Recht des Stärkeren juristisch abzusichern, werden die entsprechenden nationalen und internationalen Gesetze von den Lobbygruppen großer Unternehmen entscheidend geprägt oder mindestens in ihrem Interesse beeinflusst. Eine solche Entwicklung erfasste die Landwirtschaft des Westens bereits vor 30 Jahren. Das noch heute andauernde Hofsterben ist dafür charakteristisch. Insbesondere die Tierhaltung wurde zuerst von der traditionell bäuerlichen Produktion abgekoppelt. Viele Landwirte versuchten, durch technische Perfektion ihre ländliche Existenz zu retten. Den großen Investoren kam es jedoch darauf an, möglichst automatisch viel Fleisch durch Lebewesen wie jede andere Ware gewinnbringend herzustellen und so die Märkte zu beherrschen. Der geistige Zusammenhang zwischen dieser Perversion unserer christlichen Kultur und den technisch durchorganisierten Kriegen und anderen industrialisierten Massenmorden ist offensichtlich.

In beiden deutschen Staaten verlief die Entwicklung der Intensivtierhaltung etwas unterschiedlich. In der DDR entstanden um 1975 z.T. riesige Großbetriebe der industriellen Mast für Schweine, Rinder und Geflügel. Sie produzierten überwiegend und billig für westliche private Unternehmen. Zusätzlich besaß in den letzten 10 Jahren der DDR fast jede LPG kleinere Massentierhaltungen. Die z.T. katastrophalen Auswirkungen auf Boden, Gewässer, Grundwasser und Wälder dauern heute noch an.

Dagegen überwogen in der BRD, abgesehen von der industrialisierten Geflügelhaltung, die vielen kleinen Intensivtierbestände, flächendeckend vor allem in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern. Das ist ablesbar an der regionalen Verteilung der Stickstoffbilanzüberschüsse auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen in kg/ha/a. Sie lagen in den erwähnten Ländern um 150 kg/ha/a. Im Frühjahr 1991 wurden die industriellen Mastbetriebe in Ostdeutschland aus angeblichen Umweltgründen kurzfristig geschlossen. Sie waren überwiegend mit westlicher Technik ausgerüstet. Wie es sich später herausstellte, ging es nur um die Stabilisierung der Preise, also um die Ausschaltung von Konkurrenz. Bereits 1994 versuchte z.B. ein niedersächsischer Investor wieder 100.000 Schweine auf dem hochbelasteten Standort Haßleben einzustallen. Er scheiterte, wie andere nach ihm, am Kaufpreis und am damals noch verlangten Raumordnungsverfahren. Die Ausschaltung der DDR-Massentierhaltung bewirkte, dass sich z.B. 1999 in Deutschland die Schweinehaltung überwiegend immer noch in bäuerlicher Hand befand. Damals hielten 141.500 Betriebe rund 6 Millionen Schweine (184 Tiere pro Betrieb). Seit einigen Jahren zeichnet sich aber in Ostdeutschland eine erneute Phase der Konzentration der Schweinemast ab. Parallel dazu werden Tausende von Arbeitsplätzen in der deutschen Landwirtschaft vernichtet. Im Jahr 2003 mussten bereits 7.200 Landwirte ihre Schweinehaltung aufgeben. Das sind 6,7 % in einem Jahr !

Die größte Anlage Deutschlands mit 95.000 Tierplätzen soll in Allstedt / Kreis Merseburg-Querfurt auf einem ehemaligen Militärflugplatz entstehen. Hier gibt es jedoch einen massiven Widerstand der Bevölkerung gegen die Anlage. Er wird von der Kreisverwaltung, dem Kreistag, den Kommunen, den Kultur-, Sport- und Tourismusverbänden, der Presse, den Kirchen und den Parteien unterstützt.

2. Der Fall Haßleben
 

Haßleben und die Flächen, auf denen Gülle ausgebracht werden soll (gelb markiert)

Die zweitgrößte Anlage Deutschlands mit 85.261 Tierplätzen und gut 50 Arbeitsplätzen soll im Innenbereich des Dorfes Haßleben / Kreis Uckermark gebaut werden. Sie ist geplant auf dem Gelände des früheren Schweinezucht- und Mastbetriebes (SZM). Nur 2 von den 4 Modulen sollen mit Schweinen besetzt werden, jedoch je Modul 42.000 statt damals 34.000 Tierplätze. Von 1978 bis Frühjahr 1991 waren hier durchschnittlich 136.000, von 1987 – 1989 127.000 Tierplätze belegt. Der Standort liegt an einer Endmoräne, die zugleich Wasserscheide zwischen Ost- und Nordsee ist. Im Untergrund herrschen z.T. karstähnliche Verhältnisse (Stauchmoräne). Die alten und neuen Begüllungsflächen reichen in die Quellgebiete der Erholungsgewässer des Altkreises Templin hinein. Deshalb lehnte die Wasserwirtschaft 1974 / 75 den Standort als ungeeignet für Tierkonzentrationen ab. Die Politik setzte sich aber schon damals darüber hinweg. Heute liegt die künftige Schweinemastgroßanlage völlig umgeben von FFH- und Naturschutzgebieten (Stromtal, Buchenwälder, Seen ect.), zwischen dem Naturpark Uckermärkische Seen und dem Biosphärenreservat Schorfheide / Chorin. Es handelt sich um sehr ansprechende Landschaften mit touristisch attraktiven Orten wie z.B. Boitzenburg, Kuhz, Gerswalde, Warthe, Jakobshagen, Klaushagen usw..

Uckermark

2.1 Altlasten auf dem Acker

Die durch den SZM hervorgerufenen Umweltschäden sind katastrophal. Auf 80 % der Begüllungsflächen haben sich nach der 10–12 jährigen Begüllung jährlich Stickstoffbilanzüberschüsse von 200 – 500 kg unterhalb der Ackerkrume in bis 5m Tiefe angesammelt (2). Ähnlich verhält sich der Trend bei Kalium und Magnesium, sogar bei Phosphor. Entsprechend dem substratabhängigen Sickerwasser–Weg / Zeitverhalten (bis über 100 Jahre) wandern die Stoffe nach und nach in die Oberflächengewässer und ins Grundwasser (7). Die noch 1993 als Hochlastflächen bezeichneten Flächen dürften nicht wie geplant erneut begüllt werden. Sie sind meist in 80 cm Tiefe drainiert, ihre Sammler enden in den Seen. 

2.2 Schäden an Baumbeständen und Waldböden

Optisch deutlich erkennbar sind die schädlichen Veränderungen, die im Wald in wenigen Jahrzehnten stattgefunden haben. Darüber ist weltweit publiziert worden. Hier spielt vor allem der aus dem Gleichgewicht geratene Hauptnährstoff Stickstoff eine dominierende Rolle (4). Seine enormen lokal konzentrierten und diffusen Depositionen führen zu einer Art Schock für Baumbestände und Boden. Auf den ärmeren Standorten unter Kiefer kommt es zu Veränderungen des Bodenlebens, zum Rückgang von Feinwurzeln und Mykorrhiza-Pilzen, zur Zunahme von Windwürfen und Totholz, nach anfänglichem hohen Zuwachs zu phasenhaftem akzelerierten Wachstum, zu Wuchsstockungen, einer allgemeinen Schwächung mit nachfolgender Zunahme von Sekundärschädlingen (Pilze, Insekten) und zu einer stärkeren Ausbildung der Bodenvegetation. Diese führt in Trockenzeiten zu Wassermangel und dem Ausfall der Grundwasserneubildung. Auf den reicheren Standorten unter Laubholz erfolgen zusätzlich Zusammenbrüche des bisher intakten Stickstoffhaushaltes mit deutlichen Stickstoffauswaschungen (3, 6, 7, 10, 11) und Versauerungen im Mineralboden (Rückgänge der Basensättigung, siehe 3, 6, 10, 11). Besonders davon betroffen sind die Lehmstandorte. Häufige Mastjahre z.B. bei der Buche tragen ebenfalls zur Schwächung der Baumbestände bei, die Frosthärte der Gehölze lässt nach. Die Hälfte der Humusformen (Auflagehumus) ist bereits disharmonisch, d.h. es bestehen Differenzen zwischen Stickstoff- und Säure-Basenstufen.

Vor allem in den Kiefernbeständen kann man die Eutrophierung der letzten Jahrzehnte auch an der Zunahme dementsprechender Gefäßpflanzen und Moose erkennen. Bis zu 18 neu auftretende stickstoffanzeigende Arten pro Aufnahme wurden gefunden, außerdem Kiefern- und Buchenbestände mit flächendeckendem Brennesselunterwuchs (11). Die ohnehin durch die Witterungsextreme des Klimawandels gestressten Wälder sind übervoll durch Stickstoff belastet und dadurch hochgradig in ihrer Stabilität gefährdet (vgl. 3, 5, 6, 8, 10, 11, 12). Stickstoff wird bereits generell im Wald in größeren Mengen über Sickerwasser ausgetragen (7).

2.3 Stickstoffbelastung und Güllewirtschaft

Das jahrzehntelang bekannte Problem der Überdüngung unserer Landschaften, vor allem mit Stickstoff, wird im neuen Schweinemastprojekt Haßleben trickreich umgangen, die erheblichen Vorbelastungen einfach ignoriert. Auch die entsprechenden Angaben der im April 2005 öffentlich ausgelegten Unterlagen sind falsch oder so weit wie zulässig heruntergerechnet. Damit fehlt eine Risikoabschätzung, die den tatsächlichen Umweltbedingungen entspricht. Die 85.261 Tierplätze produzieren jährlich mindestens 860.000 kg N (Stickstoff insgesamt), davon 213.000 kg Ammoniak (NH3). Dieser enthält 170.000 kg Reinstickstoff (N-NH3).

Vergleich der Stickstoffproduktion und ihrer Freisetzung direkt aus der Anlage im geplanten SZM Haßleben

 

Vorprojekt 2003

Projekt 2005

 

 

 

Tierplätze

84.340

85.261

Gesamtstickstoff

780.000 kg

780.000 kg

durch Einwendung korrigiert

 

860.000 kg

 

 

 

NH3 Freisetzung /a

73.300 kg

64.000 kg

Freisetzung pro Tag

200 kg

175 kg

oder

263 m3

230 m3

 

 

 

Tierplätze mit vollem NH3

25.300

25.600

 

 

 

Austrag

 

 

N-NH3 Freisetzung /a

58.400 kg

51.000 kg

in % zum Gesamtstickstoff

7,5 %

6 %

 

 

 

Der vorstehende Vergleich zeigt, wie viel Ammoniak (NH3) bzw. Reinstickstoff des Ammoniaks (N-NH3) pro Jahr (a) mindestens direkt aus der Anlage in den Innenbereich von Haßleben sowie in die angrenzenden Wälder freigesetzt wird und wie weit diese Mengen Tierplätzen mit vollem Ammoniakaustrag entsprechen. Dabei zeigt sich, dass das akute Stickstoffproblem durch technische Verbesserungen nicht gelöst, sondern nur von der Luft- in die Wasserphase verlagert wird. Ganze 6 % des in der Anlage produzierten Stickstoffs werden immissionsschutzrechtlich bearbeitet. Über den Verbleib von 94 % fehlen jegliche konkrete Nachweise einer nicht umweltschädlichen Verwertung. Dieser Stickstoff geht in die Gülle und nach dem Durchlaufen der Biogasanlage in den Verantwortungsbereich des Gülle ausbringenden Landwirtes über. Ihm ist es überlassen, mit welcher Technik er wie viel Emissionen freisetzt und bei welcher wechselhaften Witterung er die Güllenährstoffe durch die Ackerkrume spülen lässt. Nachweise, ob er mittels moderner Technik und entsprechenden Fruchtanbau die Gülle überhaupt emissionsarm ausbringen kann, werden von ihm nicht gefordert. Die geplanten 9.226 ha Gülleausbringungsflächen unterliegen keiner Kontrolle und sind auch immissionsschutzrechtlich nicht erfasst. Da laut Projekt der Nährstoffbedarf dieser großen Flächen durch die Begüllung nicht gedeckt werden kann, muss noch zusätzlich Kunstdünger eingesetzt werden. Damit wird die Gülledüngung noch uneffektiver und umweltgefährdender. Es ist ohnehin immer risikoreich, Dünger und Abprodukte flüssig auszubringen. Die Gülledüngung ist auch aus anderen Gründen nicht mehr zu verantworten. Massentierhaltungen benötigen aus hygienischen Gründen Wasser mit Trinkwasserqualität aus den unteren Stockwerken. Dort braucht es zu seiner Ansammlung Jahrzehnte und Jahrhunderte. Die Grundwasserneubildung lässt jedoch heute infolge Klimawandel und Eutrophierung selbst in den oberen Stockwerken nach. Eine Trinkwasserknappheit ist somit in den kommenden Jahrzehnten vorprogrammiert.

Die neue Schweinemastanlage benötigt jährlich 176.000 m3 Tränkwasser, dazu kommen 30.000 m3 Wasser zur Stallreinigung. Somit fallen 190.000 m3 Gülle an. Das ist doppelt so viel wie die Abwassermengen der ganzen Gemeinde Boitzenburger Land. Alle Abprodukte der Schweine entsprechen einer Stadt von 191.000 Einwohnergleichwerten (18,3 EWG je GV). Dazu kommt der ganze Komplex der Tierarzneimittel, Futtermittelzusätze, Desinfektionsmittel und Biozide, der in solchen großen Tierhaltungsanlagen konzentriert anfällt und über die Gülle auf die Felder gebracht wird. So können z.B. bei ordnungsgemäßer Begüllung pro Jahr und ha bis zu 1 kg der schwer abbaubaren, antibiotisch wirkenden Tetrazykline eingetragen werden (vgl. Arzneimittel in der Umwelt, Bericht an die 61. Umweltministerkonferenz am 19./20.11.2003). Neueste Untersuchungen der Universität Paderborn beweisen erstmals, dass Antibiotika (Chlortetrazyklin, Sulfadiazin u.a.) über Pflanzen (Winterweizen, Feldsalat) auch in unsere Nahrungskette gelangen. Antibiotika-Resistenzen sind schon lange ein medizinisches Problem und nun nicht mehr allein über den Fleischgenuss behandelter Tiere erklärbar.

2.4 Transporte auf der Straße

Aus den 85.261 Tierplätzen errechnen sich 10.095 Großvieheinheiten (GV). Im Vorprojekt ergaben 84.340 Tierplätze noch 10.450 GV ! Bei 3,25 Mastdurchgängen im Jahr werden 171.600 Mastschweine und 152.500 Ferkel „produziert“. Man rechnet mit 5 % Verlust: 7.600 Ferkel, 8.500 Mastschweine. Sie müssen per LKW weggeschafft werden. Im Gegensatz zum alten SZM, wo alle Transporte, außer denen des Schlachtviehs, über Bahn und unterirdische Rohrleitungen liefen, ist man in der neuen Anlage völlig auf den Straßentransport angewiesen. In Spitzenzeiten verlässt und erreicht alle 4 – 7 Minuten ein LKW die Anlage, eine schwere Zusatzbelastung für unsere z.T. schmalen öffentlichen Straßen. Die Hälfte der 30-Tonner-Güllefahrzeuge muss die kurvenreiche Unfallstrecke Haßleben – Prenzlau (B109) und durch Prenzlau fahren.

 2.5 Die neue Anlage soll trickreich durchgesetzt werden

Umweltschützer versuchten nach 1991 umweltfreundliche Produktionen auf dem erschlossenen Industrieareal anzusiedeln. Es scheiterte an den 46 Millionen DM Schulden, die über einen hohen Kaufpreis beseitigt werden sollten. Ab 1994 unterstützte das Land Brandenburg den Aufbau neuer Schweinemastgroßanlagen mit 80 – 100.000 Tierplätzen. Es stellte sich natürlich immer heraus, dass so ein großes Objekt raumordnungsrelevant war. Als der neue Investor van Gennip auftauchte, erklärten deshalb die zuständigen Behörden sofort, dass kein Raumordnungsverfahren nötig sei, man werde es natürlich prüfen. Van Gennip kaufte die Fläche, offensichtlich mit einem um mindestens 13 Millionen Euro dezimierten Preis. Es besteht der Verdacht, dass das Land diese Summe bezahlt hat, um dem Investor den Kauf zu ermöglichen. Schließlich hat in Brandenburg der Einsatz von Steuermitteln in fragwürdige private Unternehmen schon Tradition. So gibt es eine mehrheitliche Unterstützung des Investors durch die Landesregierung, den Landkreis, den Kreistag, den Gemeinderat, die Parteien, die heimische Presse und den Bauernverband. Im Sinne des Investors arbeitet ein Bürgeraktiv „Pro Schwein“. Die Mehrheit der Bevölkerung verhält sich indifferent. Ähnlich reagieren auch die Tourismusverbände, die Kirchen und die Naturschutzorgane des Landes und des Bundes. Selbst die meisten Naturschutzverbände reagieren halbherzig. Es existiert jedoch eine kleine aktive Bürgerinitiative „Kontra Industrieschwein Haßleben“.

Während der Prüfung der Notwendigkeit der Durchführung eines Raumordnungsverfahrens kam es zu vielen Ungereimtheiten, die nicht zufällig sein konnten. Sie zeigten alle den Willen der zuständigen Behörden, das Projekt reibungslos durch die noch bestehenden gesetzlichen Vorgaben zu tricksen. Entscheidende fachliche Beanstandungen nahm man einfach bis in die Auslegungsunterlagen 2005 hinein nicht zur Kenntnis !
Durch Gemeindebeschluss wurde für das Schweinemastprojekt ein Vorhaben bezogener Bebauungsplan erstellt. So gehört das Projekt nun zum Innenbereich des Dorfes, was gleichzeitig ein ROV ausschließt. Damit reduziert sich der Untersuchungsradius von mindestens 5 km auf 1,25 bzw. 1,75 km. Man braucht nur noch den Nordteil eines FFH-Gebietes untersuchen, sonst hätten viele Naturschutz- und FFH-Flächen begutachtet werden müssen. Begleitend erließ das zuständige Ministerium im Dezember 2003 einen Handlungsrahmen zur Beurteilung von Waldökosystemen im Umfeld von Tierhaltungsanlagen. Er enthielt neben anderer grober Mängel 3 x so hohe Stickstoffgrenzwerte wie der Wald ohne Vorbelastung verkraften kann. Diese fachlichen Schlappen trugen sicher etwas dazu bei, dass die Anlage nicht, wie vorgesehen, Ende 2004 ihren Betrieb aufnehmen konnte. Um das Projekt zeitlich nicht weiter zu gefährden, erteilte die Kreisverwaltung eine Baugenehmigung, die es erlaubt, bis 900 so genannte Zuchtläufer (meist Sauen) auch ohne immissionsschutzrechtliche Prüfung und UVP einstallen zu können. Die Tiere befinden sich seit dem 22.02.05 in Haßleben. Vorher nahm der Kreistag Uckermark das noch nicht genehmigte Schweinemastprojekt zusätzlich in seinen Wirtschaftsrahmenplan auf.

Vom 11.04.05 bis 10.05.05 wurden die Unterlagen des Schweinemastprojektes öffentlich ausgelegt. Sie waren, abgesehen, von schweren Verfahrensfehlern, fachlich so lückenhaft, dass eine öffentliche Auslegung nicht hätte stattfinden dürfen. Dass diese trotzdem geschah, entspricht den bisherigen Verhalten der Landesbehörden. Sie sind entschlossen, die Mastanlage formal durchzusetzen, auch entgegen dem heutigen Wissensstand über die fortschreitenden flächendeckenden Landschaftsschäden, „Das ist politisch gewollt“, hört man intern in den kompetenten Dienststellen. Da interessieren keine Fakten ! Und die Fachleute schweigen aus Angst und Opportunismus oder weil sie so gut bezahlt werden. Selbst der für das Ressort zuständige Minister und sein Staatssekretär erzählen das nach, was der Investor bei Ignoranz und zur Vernebelung der eigentlichen Probleme zur Durchsetzung seiner Anlage darlegt. Damit büßen sie als Verantwortliche ihre Objektivität ein, sie sind als unkritische Helfer des Investors unglaubwürdig geworden. „Wir prüfen selbstverständlich genau“, wird dann immer wieder zur Beruhigung der Bürger erklärt. Bei der vermuteten Verquickung mit dem Investor ist nicht damit zu rechnen, dass die Landeregierung die eingegangenen 1200 Einwendungen ernsthaft prüfen lässt. Im Falle einer gewollten sachgerechten Prüfung hätte sie schon früher die Probleme anders behandeln und nach dem völlig unvollständigen Material der Auslegung die öffentliche Anhörung Ende August absagen müssen. Welche gravierenden landschaftsökologischen Schäden, Versäumnisse und Probleme mit der geplanten Schweinemastanlage verbunden sind, sollen zusammenfassend fünf Beispiele zeigen:

  1. Wie bereits dargelegt, wird 94 % des in der Anlage produzierten Stickstoffs nach Durchlaufen der Biogasanlage in Verantwortung der Landwirte gegeben. Seine Ausbringung wird auf den Flächen nicht kontrolliert und immissionsschutzrechtlich erfasst. So schädigt er seit Jahrzehnten vor allem Waldbestände und -böden, Oberflächengewässer und Grundwasser. Die mengenmäßig überwiegenden Stickstoffemissionen aus der Begüllung interessieren im Projekt überhaupt nicht.

  2. Entscheidende Maßgaben der Landesplanungsabteilung Berlin – Brandenburg vom 12.12.03 wurden einfach nicht erfüllt. So fehlen die Darlegungen der Entwässerungssysteme in den geplanten Begüllungsflächen völlig, ebenso konkrete Sicherheitsabstände zu den gefährdeten Flächen, selbst zu Trinkwasserschutzzonen. Tabuflächen für die Begüllung sind nur selten und unzureichend ausgewiesen. Eine provisorische Kartierung der Drainagen ergab, dass das Gros der für die Begüllung vorgesehenen Flächen drainiert ist. Ihre Sammler enden durchweg in Oberflächengewässer.

  3. Die Hintergrundbelastung der Stickstoffimmissionen im Umfeld von Haßleben wurde bewusst mit 15 kg/ha/a zu niedrig angesetzt, um weitere Immissionen aus der geplanten Anlage vertretbar erscheinen zu lassen. Sie ist jedoch einschließlich der trockenen Deposition mindestens doppelt so hoch ! Auf den grundwasserfernen Waldstandorten schwankt die heute noch verträgliche Dauerbelastbarkeit in unserem Klima, untergliedert nach Nährkraft- und Feuchtestufen, zwischen 5 und 15 kg pro ha und Jahr. Weitere zusätzliche Einträge sind deshalb für den Wald bzw. die Waldböden schon auf Grund der nachweisbaren enormen Vorschädigung nicht mehr diskutabel.

  4. Neue Erkenntnisse über Weg / Zeitverhalten des Grundwasserabflusses und die damit verbundene Gefahr des Eintrages von Schadstoffen in Sicker-, Grund- und Oberflächenwasser werden einfach ignoriert. Das gilt auch für die Rückstände von Tierarzneimitteln und deren Anreicherung in der menschlichen Nahrung.

  5. Die Altlasten aus der früheren Anlage werden im Projekt nur kurz erwähnt, trotzdem ist eine Begüllung der damaligen, durchweg drainierten Hochlastflächen, selbst in unmittelbarer Nähe von Naturschutzgebieten, wieder vorgesehen.

Templin, den 21.07.05

Ernst Pries

 Literaturangaben

1. ASMAN, VAN JARSVELD,1992 : A variable – resolution transport model applied for NHX for Europe. Atmospherie Environment 26A : 445 - 464

 2. ASMUS;F. et.al. 1993 : Aufnahmen und Gefährdung des Gefährdungspotentials der Uckermärkischen Schweinezucht - und Mast – GmbH Haßleben sowie Vorschläge zu Art und Umfang einzuleitender Entsorgungs- und Sanierungsstrategien für dieses Gebiet. Forschungsbericht FM / H 91 – 346. 14 / 46 – 20, Universität Potsdam

 3. BLOCK, J. 2002 : Belastung des rheinland – pfälzischen Waldes durch Ammoniak-Emissionen aus der Landwirtschaft. Forst und Holz, 57. Jahrgang, Nr. 1 /2 (15.01.2002)

 4. Böhme, F., RUSSOW, R. 2002 : Formen der atmogenen N-Deposition und deren Bestimmung in Agrarökosystemen unter besonderer Berücksichtigung der 15N-Isotopen-verdünnungsmethode (JTNJ). Worksshop „N-Depositionen in Agrarökosystemen“ 2-3.5.02. Umweltforschungszentrum Leipzig – Halle GmbH

 5. KOPP,D., KIRSCHNER, G. 1992 : Fremdstoffbedingter Standortswandel aus periodischer Kartierung des Standortszustandes in den Wäldern des nordostdeutschen Tieflandes nach Ergebnissen der Standortserkundung. Beiträge für Forstwirtschaft und Landschaftsökologie 26 (1992) 3 / 4.

 6. KOPP,D., JOCHHEIM, H. 2002 : Forstliche Boden- und Standortsdaten des Norddeutschen Tieflandes als Datenbasis für die Landschaftsmodellierung, Verlag Dr. Kessel, Remagen- Oberwinter

 7. MELLERT, K.H., GENSIOR, A., KÖLLING, C. 2005 : Verbreitete Nitratbelastung des Waldsickerwassers. AFZ – Der Wald 4 / 2005

 8. MOHR, H. 1994 : Stickstoffeintrag als Ursache neuartiger Waldschäden, Spektrum der Wissenschaft, Heft 1 (1994)

 9. Nationaler Inventarbericht 2004 – Berichterstattung unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen : Teilbericht für Quellgruppe Landwirtschaft, Institut für Agrarökologie, Braunschweig, Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL)

 10. NIEDER, R., WACHTER, H., ISERMANN, K. 2000 : Erhöhte Stoffausträge bald auch aus Waldböden ? AFZ / Der Wald 11 / 2000

 11. PRIES, E: 2005 : Veränderungen der Waldböden und ihrer Vegetation im Umfeld des SZM Haßleben (bis 21 km) unter Berücksichtigung anderer Tierhaltungsanlagen im Nahbereich (bis 5 km) nach 20 Jahren (1976 – 78, 1996 – 1998), Tabelle, Erklärungen und Legende, Schwerpunktauswertung mit Lage der Aufnahmepunkte, unveröffentlicht

 12. 1.Umweltgutachten 2004 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, Deutscher Bundestag, Drucksache 15 / 3600, 2.7.2004 

 
zum Seitenanfang