Tierethik

 

Das Leben der Schweine:
110 Kilo bis zum Tod

 

In Deutschland leben grade in diesem Moment mitten unter uns fast 27 Millionen Schweine. Doch wo sind sie? Sie leben bis auf einige wenige Ausnahmen in großen Mast- und Zuchtanlagen – ohne Sonnenlicht, ohne die Möglichkeit ihre Bedürfnisse auszuleben, auf Spaltenböden ein beschäftigungsloses Leben über ihren eigenen Exkrementen. Bis sie mit 110 Kilo Körpergewicht ihre „Schlachtreife“ erreicht haben oder als Zuchtsauen nicht mehr produktiv genug sind.

Rasanter Strukturwandel: zur Massenschweinehaltung in 25 Jahren
Vor 25 Jahren lag die durchschnittliche Bestandsgröße eines Schweinehaltenden Betriebes in der Bundesrepublik bei 50 Tieren. Der unstillbare Hunger nach Massen von billigem Fleisch hat die Bestände rasant wachsen lassen: Im Mai 2011 betrug der durchschnittliche Schweinebestand 844 Schweine pro Betrieb. Im Osten Deutschlands leben heute statistisch pro Betrieb 3700 Schweine und 750 Zuchtschweine, im Westen sind es „nur“ 720 und durchschnittliche 120 Zuchtschweine in insgesamt 33.000 Betrieben. Schweine in Betrieben mit unter 50 Tieren werden statistisch gar nicht mehr erfasst, weil ihr gesamter Tierbestand nicht einmal 1% des großen Ganzen ausmacht.

 
Schweineland Deutschland

Fast 60 Millionen Schweine wurden 2010 in Deutschland geschlachtet. Die meisten von ihnen stammen aus Großmastbetrieben mit bis zu zehntausenden von Tieren, die vor allem im Osten Deutschlands keine Seltenheit mehr sind und vermehrt an Bedeutung gewinnen. Auch Europas größte Ferkelzuchtanlage soll in Deutschland entstehen: in Mecklenburg-Vorpommern sollen 10.500 Zuchtsauen in der Anlage eines niederländischen Investors jährlich eine Viertelmillion Ferkel produzieren. In solchen Anlagen läuft fast alles „vollautomatisch“: computergesteuerte Lüftung und Fütterung ermöglichen den Betrieb von großen Schweineanlagen mit nur einer Handvoll Mitarbeitern.

Arme Sau:

Zuchtschweinleben jenseits aller Vorstellungskraft Zuchtschweine führen ein Dasein jenseits unserer Vorstellungskraft.
Einen Großteil ihres Lebens verbringen sie in Kastenständen: Metallgitterkonstruktionen, in die sie kaum hineinpassen und welche ihnen nicht mehr Bewegungsspielraum geben als Stehen oder Liegen - Umdrehen oder einen Schritt vor und zurück gehen ist nicht möglich. Die Zuchtsauen werden künstlich besamt, um zweimal jährlich nach einer Tragezeit von drei Monaten, drei Wochen und drei Tagen einen Wurf von mindestens einem Dutzend abgesetzten Ferkeln zu produzieren. Spätestens nach 5 bis 6 Jahren ist das Leben einer Zuchtsau vorbei – und sie landet als „unproduktiv“ im Schlachthof. Unter normalen Umständen hätte ein Schwein eine Lebenserwartung von 15 Jahren, ähnlich der eines Hundes.

"Abferkeln“ auf dem Kotrost statt Nestbau und Mutterliebe

Auch zur Geburt ihrer Ferkel sind die Schweine in Metallkonstruktionen fixiert. In freier Natur bauen Schweine vor der Geburt ihrer Ferkel Nester, die Ferkel werden nach der Geburt liebevoll versorgt. In ihrer Gefangenschaft stehen und liegen sie in „Abferkelbuchten“ auf blankem Boden und Kotrosten, die Schweinemütter können sich weder umdrehen noch einen Schritt tun. Die „Ferkelschutzkörbe“ verhindern jeden normalen Kontakt zwischen Müttern und Kindern, sollen bewirken, dass die Sauen in der Enge ihre Ferkel nicht totliegen.

Das Leiden und Sterben beginnt mit der Geburt

Die Ferkel suchen die Nähe ihrer Mutter, aber durch ihr Eingesperrtsein im Metallgitter kann sie nicht ausweichen: einzelne Ferkel werden von ihren Müttern erdrückt. Viele Ferkel sterben schon kurz nach ihrer Geburt: „totgelegen“, durch Krankheiten, kamen zu schwach zur Welt. Diese und Verluste durch Totgeburten sind einkalkuliert und bei Wurfstärken von oft bis zu 20 Ferkeln „normal“. Wer lebt, leidet: schon in den ersten Lebenstagen erwartet die Ferkel eine wahre Tortur: Impfen, Ohrmarken eintackern, Zähne abschleifen, Schwänze abschneiden, kastrieren.

 Betäubungslose Ferkel-Verstümmelung

Selbst das schmerzhafte Abschneiden der Ringelschwänze und die Kastration der männlichen Ferkel geschieht meist ohne Betäubung – ganz legal bis zum Alter von zwei Wochen. Durchgeführt werden die Verstümmelungen der Ferkel nicht von Tierärzten, sondern vom billigeren „Ferkelproduktionspersonal“. Vorstöße zur Vermeidung der Kastration der männlichen Schweine durch die Mast unkastrierter Eber oder gegen den „Ebergeruch“ geimpfter Tiere können nur einen kleinen Teil des Leidens der Tiere mindern und führen dazu, dass Mastschweine, deren „Schlachtkörper“ doch den typischen Ebergeruch aufweisen, am Schlachthof nicht zu Fleisch, sondern zu Müll werden.

Ferkelaufzucht: zwischen Stress und Trostlosigkeit

Drei bis vier Wochen nach der Geburt werden die kleinen Ferkel von ihren Müttern getrennt. In einem Alter, wo sie normal noch lange von ihrer Mutter abhängig wären, bedeutet das für die Ferkel enormen Stress. Ihr Leben spielt sich von nun an ihn Schweinebuchten unter Kunstlicht ab, ohne Einstreu, ohne Beschäftigung. Mit einem Gewicht von 25 Kilo werden die Ferkel zu so genannten „Läufern“ - doch Laufen und sich schweinegemäß betätigen können sie sich in ihren Buchten kaum. Die intelligenten Schweine wollen erkunden, toben, lernen, wühlen, suhlen, kauen – doch außer sich selbst, ihren Artgenossen und dem Futter gibt es nichts.

Schwanzbeißen als Beschäftigung
Beschäftigungsmaterial in Form von „beweglichen Gegenständen“ ist nach der Schweinehaltungsverordnung vorgeschrieben. In der Realität findet sich pro Schweinebucht mal ein „Spielball“ – der bei jeder Bewegung durch die Exkremente der Tiere rollt - oder ein alter Holzbalken oder eine Metallkette. Die unter Stress stehenden Schweine neigen zum Kannibalismus, fressen sich nicht selten aus Langeweile gegenseitig an. Ohren und die Reste der abgeschnittenen Schwänze ihrer Artgenossen dienen als „Beschäftigungsmaterial“.

Schweinemast: Fressen, wachsen, Fleisch ansetzen

Mit einem Gewicht von 50 Kilo beginnt die eigentliche Mast der jungen Schweine. Ihre einzige Aufgabe: fressen, wachsen, Fleisch ansetzen. Hinter sich haben sie oft einen Tiertransport über weite Strecken: Zucht, Aufzucht und Mast finden meist nicht in „geschlossenen Systemen“ statt, sondern in verschiedenen, spezialisierten Betrieben. Die Haltung in großen Gruppen zusammen mit fremden Schweinen führt zu Rangkämpfen und Beißereien und der Verbreitung verschiedenster Krankheitserreger. Die Zahl der Tiere, die Bissverletzungen haben und die Erkrankungen nehmen zu.

Tierschutznutztierhaltungsverordnung: der Rottweiler im Kaninchenkäfig
Einem Mastschwein mit einem Gewicht von 50 Kilo steht gesetzlich ein Platz von grade einmal 0,5 Quadratmetern zu – so viel Platz, wie ein ausgewachsener Rottweiler in einem Kaninchenkäfig hätte. Ein 110 Kilo schweres Mastschwein braucht nach der „Tierschutznutztierhaltungsverordnung“ 0,75 Quadratmeter Platz in der Schweinebucht. Unerträgliche Enge, ein Leben über und in dem eigenen Kot auf Betonspaltenböden, das ist das Leben des Schweins.

Mit offenen Wunden im eigenen Kot
Durch das ständige Ausrutschen auf den glitschigen Betonspalten haben viele Tiere Fuß- und Beinverletzungen. Sie können nur unter Schmerzen laufen, humpeln, lahmen, haben manchmal Ballgroße eitrige Abszesse. Selbst kleine Verletzungen werden aufgrund von Besiedelung mit verschiedensten Erregern und dem permanenten Kontakt offener Wunden mit Kot und Gülle zum oftmals tödlichen Problem. Viele Mastschweine leiden dazu unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenerkrankungen. Durch das schlechte Stallklima und das Leben über der eigenen Gülle: der ausdünstende Ammoniak schädigt ihr Lungengewebe, Krankheitserreger haben ein leichtes Spiel.

Mortalitätsrate: 5 Prozent

 

Die hygienischen Bedingungen in der Schweinehaltung sind „unter aller Sau“: trockene, saubere Liegeplätze gibt es nicht, auch zugekotete Futterrinnen sind keine Seltenheit.
 


Viele Schweine überleben die Dauer der Mast nicht die Mortalitätsrate in einem „normalen Schweinestall“ liegt bei 5%.

 

Nicht selten liegen tote Schweine über längere Zeiten zwischen den lebenden Artgenossen: ihre toten Körper dienen als „Beschäftigungsmaterial“, werden bekaut und mit den Rüsseln durch die Buchten geschoben.

Der letzte Transport
In einem Alter von 7-8 Monaten haben die jungen Schweine, die die Mast überlebt haben, ihr „Schlachtgewicht“ von etwa 110 Kilo erreicht – nicht einmal die Hälfte des Gewichtes eines erwachsenen Schweins.
Für Schweine, die bei der Schlachtung nicht dieses Norm-Gewicht haben, gibt es Preisabzüge für die Mäster. Die Schweine werden aus ihren Mastbuchten getrieben, auf LKWs verladen und zum Schlachthof transportiert. Ein letzter Weg in erdrückendem Gedränge, Stress, Hitze, Kälte, die Tiere beißen und treten sich, haben in der Enge kaum eine Möglichkeit, an Trinkwasser zu kommen. Sofern es überhaupt welches gibt. Das sind sie allerdings schon aus ihren Mastbuchten gewohnt, wo sie Trinkwasser - wenn überhaupt – nur über Nippeltränken bekamen.

Schlachten im Akkord
Abgeladen in den Wartebereichen der Schlachthöfe haben die Tiere ihren eigenen Tod vor Augen, riechen das Blut und hören die letzten panischen Schreie ihrer Artgenossen.
Bevor sie selbst zur Schlachtung getrieben und mit Strom oder Gas betäubt werden, ihre Halsschlagader aufgeschnitten wird, sie ausbluten und im Brühbad landen. Durch die Akkordarbeit in den Schlachthöfen, oftmals von Billiglöhnern unter enormem Zeitdruck ausgeführt, ist es an der Tagesordnung, dass Schweine vor ihrer Schlachtung nur unzureichend betäubt werden und ihren Tod und ihre beginnende Zerlegung bei vollem Bewusstsein erleben. Dem Schnitzel in der Kühltheke sehen wir nicht an, wie das Leben des Schweins zu Ende ging.

Glückliche Schweine?

Mastschweine aus konventioneller Haltung haben alles andere als ein „glückliches Leben“ hinter sich. Doch wie sieht es mit Bio-Mastschweinen aus, die allerdings sowieso nur minimale 0,7% der im Jahr 2009 in Deutschland gehaltenen Schweine ausmachen?
Ein 100kg schweres Mastschwein wird wahrscheinlich nicht bedeutend glücklicher dadurch, dass ihm 2,3qm Platz als "Bioschwein" zugestanden werden. Es hat keinen Anspruch auf Freilauf und braucht „rein rechtlich“ niemals eine grüne Wiese unter seinen Füßen. Zuchtsauen im Kastenstand, etwa 100 Tage pro Jahr bewegungslos fixiert – auch das ist „bio“.
"Bio" ist nicht ein glückliches Schwein, welches nach Herzenslust im Schlamm suhlen darf. Es täuscht bewusst tierfreundliche Verbraucher und gaukelt eine heile Nutztierwelt vor, wo keine ist.

 
Alles bio, alles gut?
Es gibt kein Fleisch von glücklichen Tieren - nur von toten.


die Tierfreunde e.V. demaskieren die Bio-Tierhaltung

Unzählige Tierschutzskandale in der „konventionellen Nutztierhaltung“ und ein sich regendes Verbrauchergewissen haben dazu geführt, dass vermehrt Bioprodukte nachgefragt werden. Der Wunsch nach „Erzeugnissen aus artgerechter Tierhaltung“ – ist er tatsächlich realisierbar? Oder verspricht uns die Werbung von Erzeugern und staatlichen Institutionen mehr, als Bio überhaupt halten kann?

Die Tierfreunde e.V. recherchierten in den vergangenen Monaten rund um die "Biohaltung" in Deutschland. Jetzt liegt umfangreiches Material vor, das dokumentiert, dass es auch bei "bio" nicht um das Wohl, das Leben und die Bedürfnisse von Tieren geht. Die Bilder aus Betrieben der Hühner-, Rinder- und Schweinehaltung zeigen, dass auch die Bio-Tierhaltung eine Industrie ist, in der unter Konkurrenzdruck ein möglichst billiges Produkt erzeugt und durch die Vorspielung einer idyllischen Scheinwelt verkauft werden soll.

Geworben wird mit saftigen Wiesen, blauem Himmel und glücklichen Tieren. Die EU-Biorichtlinien, die dem geschützten Begriff „bio“ zugrunde liegen, fallen im Vergleich dazu geradezu lächerlich aus. An den wirklichen Bedürfnissen von Tieren, nämlich selbstbestimmt mit ihren Familien und Verbänden ein Leben in quadratkilometergroßen Revieren zu führen, gehen sie komplett vorbei. Stattdessen wird im Quadratzentimeter-Bereich herumgedoktert. Ein 100 kg schweres Mastschwein beispielsweise, dem in der konventionellen Haltung 0,65 qm „zustehen“, muss zur Erfüllung der Bio-Richtlinien nun 1,3 qm Stallfläche und zusätzlich 1,0 qm „Außenfläche“ haben. Diese ist noch dazu in den meisten Fällen gar nicht wirklich unter freiem Himmel – es gilt als „Außenfläche“, wenn in einem Stall einfach eine Wand durch Gitter ersetzt wurde.



Ähnlich trostlos lesen sich die Tabellen der EU-Bio-Richtlinie (Anhang III legt die Mindeststall- und -freiflächen für Biotiere fest) auch für andere Tierarten (sofern sie überhaupt geregelt werden). Die Zahlen werden anschaulich, wenn man sich vorstellt, sein Leben lang in einer Zelle dieser Größenordnung eingesperrt zu sein: 10,5 Quadratmeter für eine Milchkuh, 4,0 Quadratmeter für ein Schaf, 0,4 Quadratmeter für ein Lamm, 10,0 Quadratmeter für eine Sau mit ihren gut 12 Ferkeln. Entlarvend ist der Unterschied, der männlichen und weiblichen Zuchtschweinen zugestanden wird: 4,4 Quadratmeter für eine Sau, 14,0 Quadratmeter für einen Eber. Hier wird offensichtlich, dass nicht vom Bedürfnis des Individuums her gedacht wird (in Freiheit haben Sauen und Eber beide riesige Reviere), sondern vom Management des Agrarbetriebs: Da Sauen sich leichter als Eber auf noch weniger Raum einpferchen lassen, wird das eben auch getan.

Die Bio-Anbauverbände (Bioland, Demeter, Naturland und Co), die damit werben, noch viel strengere Kriterien anzulegen als die EU-Bio-Richtlinie, betreiben damit ebenfalls eine bewusste Täuschung. Der KonsumentIn wird suggeriert, dass es sich bei diesen Siegeln nochmal um eine ganz andere Kategorie handelt als "nur" EU-Bio. Dabei geht es auch hier nur um lächerliche Veränderungen.

• Bioland beispielsweise schreibt für Schweine, Rinder, Hühner, Enten, Gänse und Truthähne keinen Quadratzentimeter mehr Platz vor als die EU-Bio-Richtlinie. Der einzige Unterschied ist, dass sich nicht sieben Legehennen ein „Nest“ (so werden Nischen zum Eierlegen beschönigend genannt) teilen müssen, sondern fünf. Und dass es für die Haltung von Wachteln, Tauben und Kaninchen überhaupt Platzvorschriften gibt – wenn auch welche, die dem Bewegungsdrang dieser Tiere Hohn sprechen. Niemand würde eine Katzenhaltung tolerieren, die maximal „15 kg/qm“ vorschreibt. Für Kaninchen, die in Freiheit kaum zu bremsen sind, ist das nicht nur „bio“, sondern sogar „Bioland“, also maximal „artgerecht“.

• Der anthroposophische Anbauverband Demeter, der sich nach Mondphasen richtet und in Bioläden das Image hat, die Perfektion von „bio“ zu sein, gestattet nach wie vor die Anbindehaltung von Rindern. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die EU-Bio-Richtline spätestens ab 2014 keine Anbindehaltung mehr zulässt – mit Ausnahme der Rinderhaltung in „kleinen Betrieben“. Damit werden beispielsweise Tausende Betriebe in Bayern davor bewahrt, in den Umbau ihrer Ställe zu investieren. Was zum Schutz einer kleinbäuerlichen Landwirtschaft sinnvoll erscheint, zeigt ein weiteres Mal die Prioritätensetzung auch bei „bio“: Es geht um den Menschen und seine Ökonomie, nicht um die Tiere. Und es zeigt, dass der tierfreundliche kleine Bauernhof von nebenan nicht nur eine Illusion ist, sondern manchmal sogar noch weniger Auflagen erfüllen muss als sein agrarindustrieller Kollege.

Ganz zu schweigen von der Schlachtung. Das blutige Ende von Biotieren findet in ganz normalen, „konventionellen“ Schlachthöfen nach dem gleichen Verfahren statt wie das ihrer nicht-bio Artgenossen. Es gibt keine gesonderten Bio-Schlachtungsregeln. Hier vollendet sich der zynische „Tierschutz“, unter dem diese Tiere seit ihrer Geburt kontinuierlich gelitten haben. Auf www.biowahrheit.de finden sich Videos, die das minutenlange grausame Sterben von Biotieren dokumentieren, wie es Tag für Tag, Stunde für Stunde, Minute für Minute stattfindet.

Die Tierfreunde e.V. haben sich nach ihren Recherchen entschieden, die Bio-Tierhaltung mit der gleichen Konsequenz anzugreifen wie die „konventionelle“ Tierhaltung. Grund dafür ist nicht nur, dass die Unterschiede marginal und aus Sicht der Tiere oft gar nicht zu spüren sind. Wichtiger ist noch, dass die Illusion einer „artgerechten“ Tierhaltung letztlich jede Form von Tierhaltung stützt und befördert: Die Hoffnung auf „artgerecht“ ist das riesige Scheunentor, durch das sich jede Fleischesserin, jeder Milchtrinker retten – egal, was sie tatsächlich gerade gekauft haben. „Ich kenne ja die Fleischverkäuferin“, „Der Bauernhof ist im Nachbardorf“, „Auf der Eierpackung ist ein Bild von Hühnern in Freiheit“, „Ich bin doch ein guter Mensch und werde deswegen wohl hoffentlich keine Qualprodukte auf dem Teller haben“ – dadurch, dass Menschen die Existenz von „artgerecht“ erzeugten Tierprodukten prinzipiell für möglich halten, können sie sich der trügerischen Hoffnung hingeben, dass es sich bei ihrem Einkauf um ein solches handelt. Erst, wenn KonsumentInnen nicht mehr vor der schlichten Wahrheit flüchten können, dass jede Form von Tierhaltung immer mit Ausbeutung, Leid und Gewalt verbunden ist und dass es keiner Art gerecht wird, eingesperrt, als Produktionsmaschinen missbraucht und systematisch in früher Jugend getötet zu werden, werden sie die Tierprodukte in ihrem Speiseplan nicht einfach so belassen oder durch Scheinalternativen wie „bio“ ersetzen, sondern stattdessen zu rein pflanzlicher Nahrung greifen, die sich ohne die Ausbeutung anderer Individuen herstellen lässt.

Nachdem die Seite Biowahrheit.de online ging und die unappetitlichen Bio-Bilder auf RTL ausgestrahlt wurden, meldete sich der Bio-Dachverband BÖLW bei den Tierfreunden e.V. und fragte nach den Adressen der gezeigten Betriebe, um dort nach dem Rechten sehen und eventuelle Regelverstöße ahnden zu können. Dies geht jedoch am Kernpunkt der Kritik völlig vorbei: die Tierfreunde e.V. kritisieren nicht, dass die EU-Bio-Richtlinien nicht eingehalten würden, sondern dass der völlig regelkonforme Bio-Normalfall nach wie vor so grausam ist, dass er den meisten Menschen den Appetit verdürbe, wenn sie das Leben dieser Tiere von Anfang bis Ende begleiteten. Das Problem lässt sich nicht auf ein paar „schwarze Schafe“ reduzieren, die gemaßregelt werden müssten. Das Problem ist eine Branche, die – ebenso wie ihr konventioneller Verwandter – Tiere schlicht als Produktionsmaschinen und Ware behandelt, aber der Gesellschaft vorspielt, es handele sich nun um „artgerechte Tierhaltung“ und „glückliche Tiere“.
 



Die Recherchen der Tierfreunde e.V. stellen klar, dass "bio" nicht vom Tier her gedacht ist. Der Gedanke dahinter ist, eine nachhaltigere, umweltfreundlichere Form der Landwirtschaft mit gesunderen, weniger vergifteten Produkten zu verbinden. In dieser Hinsicht ist "bio" durchaus erfolgreich. Pflanzliche Bioprodukte sind im Durchschnitt für die Böden, die Umwelt, die anbauenden Menschen und die EsserInnen besser als ihre konventionellen Pendants.

Aber um das Wohl der Tiere geht es bei "bio" nicht. Daran ändert auch der zur Abgrenzung genutzte irreführende Gebrauch der Wörter "Massentierhaltung" und "industrielle Tierhaltung" nichts. Ob eine Kuh in der konventionellen Haltung steht oder in der Anbindehaltung bei Demeter; ob ein Schwein im Kastenstand sich in einer Anlage mit 40.000 weiteren Leidensgenossen oder in einem kleinen Familienbetrieb befindet; ob ein Huhn unter dem ständigen Picken seiner Artgenossen in seinem ausgemergelten Körper jeden Tag ein Ei für Wiesenhof oder für den Bioladen um die Ecke produzieren muss und nach einem Jahr als nicht mehr rentabel getötet wird - die Frage ist nicht die Größe des Betriebs oder die Form der Tierhaltung, die Frage ist, ob wir als Menschen die völlig überflüssige Ausbeutung von Tieren weiter hinnehmen wollen oder nicht.
 

Bilder, Filme und Hintergründe zu den Biotier-Recherchen der Tierfreunde e.V.: www.biowahrheit.de