Stand der Dinge

 
 

Erneute Stickstoffschleuder : Schweineanlage Haßleben

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Von 1978 bis Frühjahr 1991 wurden hier durchschnittlich 136.000 Schweine pro Jahr gezüchtet und gemästet. Schwere Umweltschäden waren die Folge. Umfangreiche Untersuchungen 1992 / 93 ergaben, dass z. B. sich auf 80 % der Gülleausbringungsflächen jährliche Stickstoffüberschüsse von 200 bis über 500 kg / Hektar / Jahr angesammelt hatten, nachgewiesen bis 5m Tiefe. Das sind die bisher höchsten in Deutschland ermittelten Werte. Ähnlich verhält es sich mit dem schwer verlagerbaren Phosphor. Heute tut man so, als ob alle diese Langzeitbelastungen nicht mehr existieren, ohne den Beweis dafür anzutreten. Nun soll hier erneut eine riesige Schweineanlage mit ursprünglich über 85.000, jetzt fast 68.000 Tierplätzen entstehen.

Abgesehen davon, dass schon die DDR – Wasserwirtschaft 1974 /75 den Standort als ungeeignet für eine Massentierhaltung ablehnte, offenbart sich von Anfang an im ganzen Verfahren zur 85.000 – Schweineanlage ein Einvernehmen zwischen dem Investor van Gennip und der Genehmigungs-Behörde des Landesumweltamtes Brandenburg.
Das Projekt sollte möglichst reibungslos durch die noch bestehenden gesetzlichen Hindernisse getrickst werden. Die zur öffentlichen Auslegung gelangten Unterlagen waren so unvollständig und mangelhaft, dass sie gar nicht ausgelegt hätten dürfen. Aber man hatte nicht mit den fundierten fachlichen Widerstand gerechnet, obwohl er sich bereits an Hand der vorliegenden Untersuchungsergebnisse im Vorverfahren abzeichnete.
Die öffentliche Anhörung im Herbst 2005 sollte für 1200 Einwendungen 4 Tage dauern, wurde dann auf 16 Tage erweitert und musste nach 11 Tagen abgebrochen werden, weil viele entscheidende Unterlagen einfach zu offensichtlich falsch und fehlerhaft waren, z.B. der Nachweis der Nährstoff-Verwertung durch die Ausbringung der Biogasgülle. Die dabei hauptsächlich entstehenden Emissionen und Austräge fehlen generell noch heute! Man tut so, als würden fast alle Nährstoffe durch die Pflanzen aufgenommen. Ebenso fehlen die Nährstoffausträge über Drainagen, die 1992 / 93 nachgewiesen in den Gewässern landen. Die z.T. hochkonzentrierten Stoffanreicherungen unterhalb der Ackerkrume, besonders gefährlich für Grundwasser und Gewässer, werden ebenfalls ignoriert (nachgewiesenen Altlasten der früheren Mastanlage). Das gleiche gilt für die Vergleichsuntersuchungen der Waldböden nach 20 – 30 Jahren, die überwiegend eine Stickstoffsättigung bzw. – Übersättigung derselben zeigen.
Um trotz der Größe der Anlage ein Raumordnungsverfahren zu vermeiden, wurde die Anlage zum Innenbereich des Dorfes Hassleben gerechnet. Damit reduzierte sich der Untersuchungsradius von etwa 5 km auf 1,25 km. So berührt er nur 1 europäisches Fauna – Flora – Habitat - Schutzgebiet (FFH) – statt 6 FFH – Gebiete. Durch die massiven Folgen der Biogasgülleausbringung werden jedoch insgesamt 14 FFH – Gebiete bzw. deren Teile beeinträchtigt.
Völlig unbrauchbare Waldgutachten im Auftrage des Investors weisen Stickstoffmangel nach, obwohl an fast allen Aufnahmeflächen die typischen Stickstoffanzeiger Brennnessel und Holunder wachsen ! Dazu erklärt jetzt der Rechtsanwalt des Investors, Prof. Dombert, dass die Ergebnisse von Waldgutachten und deren Bewertung nicht interessieren, da sich rein formal durch einen Erlass des Landes Brandenburg die Bewertungsgrundlage geändert habe.
Ein Länderarbeitskreis Immissionen (LAI) hat zur Vereinfachung von Genehmigungen 3 Jahre getagt und einen Bericht herausgebracht, nach dessen Kriterien fast jede große Tierhaltungsanlage genehmigt werden kann. Dazu wurden z.B. unlogischerweise die kritischen Werte (Critical loads) für die sogenannten Produktionsfunktionen, also auch im Wirtschaftswald, verdoppelt bis verdreifacht, nicht wie betont wird, aus ökologisch wissenschaftlicher, sondern aus pragmatischer Sicht.
Das ist ein klarer Aufruf zum Gesetzesbruch, denn der Zustand der Wälder ist nachhaltig zu erhalten bzw. zu verbessern (Wald– und Naturschutzgesetze)!
Bei der Ausbreitung des Ammoniaks direkt aus der Anlage ist die Stickstoff – Niederschlags-Menge (Deposition) selbst nach der problematischen Formel des LAI – Berichts mindestens 4 x höher als sie der Investor im Projekt angibt. Die Depositionen aus der Biogasgülleausbringung sind dabei ohnehin, wie bereits dargelegt, nicht mitgerechnet. Ihre Emissionen eingeschlossen, gehen etwa 25 % des in der Anlage vorhandenen Stickstoffs kaum kontrollierbar in die Luft. Das trifft vor allem den bereits stickstoffgesättigten Wald, den Ort Haßleben / Kuhz und die FFH - Schutzgebiete. Nun will der Investor seine Mastschweine von 52.800 auf 35.200 reduzieren und in diesem Bereich Verbesserungen in der Abluft vornehmen. Ein Pflanzenklärbecken soll das belastete Regenwasser reinigen. Sein Standort ist hochgradig phosphorüberlastet, mit Fließrichtung in den nahe gelegenen FFH – geschützten Kuhzer See. Den in 600 – 700 m beginnenden bereits stark eutrophierten Waldkomplex können bei vorherrschender feuchter Witterung immer noch zusätzliche Stickstoffdepositionen von 40 – 100 kg/ha/a erreichen. Dazu kommt eine derzeitige durchschnittliche waldtypische Belastung von 30 kg Stickstoff/ha/a.
Ein Teil der Dächer der Schweineanlage wurden mit Solaranlagen versehen, eine wenigstens positive Maßnahme. Ansonsten werden im Projekt Hassleben laufend Teile überarbeitet. Sie beinhalten meist nur Scheinlösungen und ignorieren die eigentlichen Probleme weiter. Der Zusammenhang mit den 2005 ausgelegten und erörterten Unterlagen ist für die Öffentlichkeit nicht mehr nachvollziehbar. Bestimmte Maßgaben der Landesplanungsstelle Berlin – Brandenburg, z.B. die Darlegung der Entwässerungssysteme auf den Begüllungsflächen, wurden bis heute nicht erbracht und nachträglich zur „Kann – Bestimmung“ erklärt.
Daß eine Industriealisierung der Produktion allgemein viele Arbeitsplätze vernichtet, gilt auch für die Schweinemast. So haben 2003 / 2004 allein 12 % der deutschen Schweinemäster (etwa 13.000 Landwirte) aufgeben müssen, parallel zum Aufbau großer Mastanlagen. Im Jahr 2008 waren es erneut 16 %. Zudem handelt es sich bei den versprochenen 50 Arbeitsplätzen für Hassleben meist um Billiglohn – und Teilzeitarbeitsplätze.
Die Diskrepanz zwischen Tierschutzgesetzen und einer wirklich artgerechten Tierhaltung, die diesen Namen verdient, wird besonders dadurch offensichtlich, dass gesetzlich einem Mastschwein bis 110 kg Gewicht nur ein Lebensraum von 0,75 m2 zusteht ! Tierschutz als Verfassungsauftrag ist hier nur eine Farce.
Daß den Investor van Gennip und seinen Berater Dr. Rehhahn die ganze Umweltproblematik überhaupt nicht interessiert, zeigt u.a. ihr Verhalten in der Altmark. In 7 km Entfernung von der 65.000 - Schweineanlage Sandbeiendorf will er in Mahlwinkel noch 85.000 Schweine – Tierplätze schaffen, praktisch 150.000 auf einem Platz. Das Landgericht Magdeburg bestätigte jetzt die Verurteilung des Dr. Rehhahn wegen versuchter Bestechung im Zusammenhang mit der Anlage Mahlwinkel.
Infolge der niedrigen Schweinefleischpreise bei 100.000 t nicht absetzbarer Lagerhaltung in der EU zahlte diese bis August 2008 eine Exportprämie von 31 EUR pro 100 kg Fleisch. Bei nur 2,5 Durchgängen mit jetzt 35.000 Mastschweinen hätte van Gennip mindestens 2,3 Millionen EURO zusätzliche Exportprämie bekommen, da interessieren keine alten Umweltlasten und ihre zukünftige Potenzierung! Dieses subventionierte Schweinefleisch wurde z.B. in Afrika so billig angeboten, dass die einheimischen Landwirte mit ihren großen Familien Pleite gingen. Die Presse hat ausführlich darüber berichtet.
Die z.Z. steigenden Preise für Exportfleisch erübrigen vorerst solche Subventionen. Große Schweine-Anlagen schießen deshalb weiter, vor allem in Ostdeutschland, wie Pilze aus dem Boden. Lieferverträge sind vor kurzem mit China abgeschlossen worden, für Japan, Südafrika und Südkorea werden sie vorbereitet !
Hohe Weltmarktpreise bieten also den Anreiz, immer mehr zu produzieren, wenn wieder möglich, mit importierten Futter.
Die verheerenden Folgen für die Länder, in die exportiert wird, bleiben gleich, auch für unser Land, wo dieser Überschuss hergestellt wird. Dort wie hier verdrängt das industriell erzeugte Billig-Fleisch einheimische Landwirte. Die Auswirkungen der immensen Umweltbelastungen und der Arbeitsplatzverluste im bäuerlichen Bereich hierzulande bezahlen wir alle früher oder später !

Ernst Pries, Templin, den 15.09.09