Sie werden in Gefängniszellen gehalten, so eng wie
die Stehsärge von Oranienburg; das Licht, das ihnen morgens aufgeht,
kommt von der Neonröhre, die angeht; ihre Grundlebensbedürfnisse werden
mit der chemischen Keule niedergeschlagen, ihre Grundtriebe ebenso an-
und abgestellt, Fortpflanzung und Nachkommenaufzucht auf perverse Art
mechanisiert. Ihr einziger Daseinszweck: Selbstaufzucht,
Selbstvervielfältigung. Haftpsychosen sind die Regelfolge,
Selbstmordversuche; die Lebensdauer, die ihnen zugebilligt wird, liegt
tief unter ihrer natürlichen Lebenserwartung; das Urteil, Begnadigung
ausgeschlossen, lautet generell auf Lebenslänglich.
Es ist die Rede von Tieren, nicht von Menschen. Die Unterschiede sind
bekannt, wenn sie auch vom Menschentier überschätzt werden; der
Nicht-Unterschied (um selbst auf der psycho-vegetativen Ebene nicht von
jener »Gleichheit« zu reden, die auch innerhalb der Menschenart eine
heikle Behauptung wäre): elementare Sensibilität gegenüber Perversionen
in der Ordnung des lebendigen; Geltung des Lustprinzips;
Leidensfähigkeit. Wer das bestreitet, dementiert seine eigene
Erfahrungs- und Wahrnehmungssensibilität; er widerspricht zudem den
Erkenntnissen unserer ersten Verhaltensforscher wie Konrad Lorenz und
steht, mit nichts als seinem Selbstinteresse in Händen, als frech
anmaßender Idiot da. Als Selbstbetrüger oder Heuchler steht da, wer sich
auf Unwissenheit herausredet. Denn es gibt mittlerweile eine
umfangreiche Literatur darüber, und für die 30 Prozent Analphabeten, die
keine Bücher lesen können, haben auch Fernsehen und Zeitschriften das
Nötige getan; um selbst die verklebtesten Augen aufzusperren: für eine
Greuel- und Grauensperspektive, ohnegleichen, so weit die Erde reicht
und die Welterscheinung von Menschenhand bestimmt Wird. Wer in sie
hineinschaut, mit allen Sinnen, den seelischen wie den intellektualen,
auch jenen, die durch ein paar Lebensfreuden sonst noch leidlich
ablenkbar sind, kommt am Ende um alle Fähigkeit, seines Mitlebens froh
zu werden -:
Was in den Zucht- und Schlachtanstalten der sogenannten zivilisierten
Nationen geschieht, gehört, alles erwogen, zu dem wohl stärksten
Verbrechen, das zurzeit auf Erden zu registrieren ist; es gehört mit zu
einem Problem von allergrundsätzlichster Bedeutung.
Es ist die Rede von Tieren ~ einigen, vielen: von Hühnern, Kälbern,
Schweinen; nicht von Menschen. Aber es ist ersichtlich ein
Menschenproblem, und das heißt, daß seine Lösung auf eine Vernunft
angewiesen bleibt. die, hier wie anderswo, einen buchstäblich
unzureichenden Grund darstellt, es zu lösen: - wäre es ein Tierproblem,
mit umgekehrten Rollen, so hätte es der tierische »Instinkt«,
Platzhalter vieler »humaner« Eigenschaften, vermutlich längst gelöst. Es
ist ein Menschenproblem, und das heißt: es prallt bei seinen tastend
kriechenden Lösungsversuchen unweigerlich an jener Grenze ab, wo die
Herrschaft des Stammhirns und seiner Grundantriebe beginnt, der
elementaren Komponenten des Willens zur Macht: Habgier, Gewinnsucht,
Fraß-Süchtigkeit im weitesten wie im engsten Sinn.
.... nicht nur daß die fleischproduzierenden Tiere ein reines
Stapellager von Toxika sind, die ihnen von den Profitzüchtern
eingestopft werden, - sie stellen auch, im Fall des Massenverzehrs
Schweinefleisch, eine direkte Giftquelle dar - (wer's nicht weiß, setze
sich); die abendländische Medizin, deren Denken ziemlich dumm ist,
beginnt in dieser Hinsicht - wenigstens in ihren besten Köpfen -
allmählich die Uralt-Einsichten orientalischer Natur-Völker einzuholen.
...... wie wäre es, wenn die Greuel der Massentierhaltung und
-verwertung noch direkteren Anteil hätten am globalen Problem unserer
zweiten Jahrhunderthälfte, nämlich der industriell betriebenen
Intoxikation des gesamten Planeten und seiner Lebenssysteme? »Die Natur«
ist jedenfalls mit dem Lebenssystem Mensch auf weit mehr Ebenen
funktionell verbunden als denjenigen eines grob materiellen
Energiemetabolismus - : wie. wenn ins Wechselwirkungsspektrum auch
Kräfte gehörten, die man bislang gemächlich ins seelische Irgendwo zu
separieren gewohnt ist? Was zeigt sich an, wenn gegen den drohenden
Zusammenbruch der Waldvegetation zuerst »das Gemüt« rebelliert? Gegen
welchen drohenden Zusammenbruch rebelliert »der Geschmack«? Eier von
Batteriehühnern schmecken ja nicht nur wie Dreck, sie sind es vermutlich
auch, nämlich weil riskant, giftig, schädlich -: sollte es vielleicht
sein können, daß sich die Existenzqual ihrer Erzeuger (und das sind eben
leider nicht die Händler-Lumpen, die sich gern so nennen und denen man
sie gönnte, sondern deren Opfer) - daß sich diese Qual selbst in ihnen
manifestiert hat - und sich, als infinitesimale (aber desto tiefer
wirksame?) Dosis Angst, Schmerz, »Tod«, beim Verzehr übermittelt? Wenn
der Organismus über die vegetative Steuerung oder noch andere
Signalnetze durch Leiden funktionell, ja organisch verändert wird. bis
hin zum Herzarrest im Streß der Schlachthausumwelt, wieso sollte die
sich derart manifestierende Destruktionskraft nicht mit den Organen
selbst vom Fresser inkorporiert werden - zu seinem unabsehbaren, weil
sich endlos akkumulierenden Schaden? Eine Verbindung zwischen den Leiden
der Tiere und den sich pandemisch verbreitenden psychischen Krankheiten
ihrer menschlichen Mittiere, gar deren täglich unbändigerer Bösartigkeit
zu sehen, ist vielleicht weit weniger absurd, als der nüchterne Blick
sich einbildet.
Wir haben von dem, was »Natur« wirklich meint, wie von dem gesamten
Energiephänomen »Leben«, einstweilen noch schlechterdings keine Ahnung;
aber das blasierte Lächeln der mechanistischen Wissenschaften ähnelt
bereits erkennbar fatal der Miene des Innenministers, wenn er den
Super-GAU für unbedenklich erklärt, weil der sich 2000 Kilometer
entfernt zugetragen habe, oder der jenes unbeschreiblichen
Ministerpräsidenten, der die Strahlungsgefahren mit denen des Alkohols
vergleicht. Wir leben in einer Umwelt großspurigster Ignoranz und
Inkompetenz; sie haben längst auch die Enährungswirtschaft zu einem
Albtraum gemacht.
Das stärkste Verbrechen, vernunftswidrig mit Sicherheit, lebenswidrig
wahrscheinlich -: wie, nochmals, kommt es, daß mit ihm nicht fertig zu
werden ist? Müßte einem, wo schon ein so scheinbar primitiver Widerstand
wie die - nicht einmal natürlich vorgegebene, sondern bloß erworbene -
Eßgewohnheit soviel Vernünftigkeit zur Kapitulation zwingt, nicht um die
ganze Weltvernunft angst und bange werden? Ist noch auf die Überwindung
von Übelständen zu rechnen, wenn dieser eine, zentrale für unverzichtbar
erklärt werden muß? Die tolle dumme Vokabel, wie eigens geschaffen für
die Zungen von Politikern, damit sich an ihren faustdicken Behauptungen
wenigstens die Sprache noch angemessen rächen kann, ist ja ein
unzweideutiges Code- und Signalwort fürs Motiv des Eigennutzes, der
sich, weil er sich unvermeidlich erkennbar am gesellschaftlichen Ganzen
vergreift, als Gemeinnutz darstellen muß - : wie, wäre das Problem am
Ende so platitüdenhaft einfach, daß wieder einmal globales Unglück nur
deshalb da ist, weil ein paar tausend Schieber um jeden Preis
prosperieren wollen? Also Handel und Industrie, das Heil-Hitler der
Gegenwart -: der einzige Grund? Tatsächlich ist ja die Aufgabe, den
Egoismus jener zu überwältigen. deren Ego für die soziale Weltharmonie
längst ein gefährliches Neoplasma bildet, in diesem Jahrhundert ins
Gigantische gewachsen -: man muß diesen simpelsten Nenner suchen, um zu
erkennen, wie restlos alle hochgestochenen Kritischen Theorien in ihr
aufgehen; man muß diesen kompliziertesten Nenner finden, um zu sehen,
was alles sich im Widerstand der primitiven Eßgewohnheit sträubt - was
alles von ihr in wachsender Perversion gegen Vernunft und Leben
vertreten wird.
Man möchte ja gern daran glauben, es warte auch in Deutschland irgendwo
am Ende der Evolution das Bewußtsein, daß dem von Tod und Todesnutzung
lebenden Massentierhalter eine Bannmeile des Ekels gebührt wie ehemals
dem Henker und daß, wer lebendige, mitlebende Wesen so behandelt wie er,
in der moralischen Ordnung tief unter der Küchenschabe rangiert;
vielleicht versteigt sich die Entwicklung, und sei es ultimo, dann gar
so weit, daß sich selbst der Fleischfresser als Auftraggeber und Hehler
eines Verbrechens begreift. Man möchte daran glauben. |