Nordkurier - Artikel vom
29.08.2011
Die Tierfabrik-Gegner bleiben
hartnäckig
Von Kirsten Gehrke Alt Tellin/Neu Plötz.
Für jedes gequälte Schwein eine Perle. Mit der Abschlussaktion
"Perlen für die Säue" setzten am Sonnabend die
rund 300 Teilnehmer einer Protestveranstaltung gegen
Massentierhaltung ein deutliches Zeichen. Auf dem Acker gegenüber
der Baustelle einer Ferkelzuchtanlage zwischen Neu Plötz und Alt
Tellin bildeten die Tierfabrik-Gegner einen riesigen Kreis und
zeigten damit, dass ihr Widerstand in Alt Tellin weitergehen wird.
Eigentlich sollte die 100 Meter lange Schnur mit 1000 Perlen mit
einem Ballon in die Luft steigen, aber beim Aufblasen platzte
dieser. So improvisierten die Initiatoren aus dem uckermärkischen
Haßleben. Der Kreis sei ebenbürtig symbolträchtig gewesen, meinten
die Teilnehmer. Schließlich wollen sie zeigen, dass sie so schnell
nicht aufgeben. Auch wenn hinter dem Bauzaun bereits die Arbeiten in
vollem Gange sind.
Am Sonnabend forderten die Protestler den sofortigen Stopp der
Bauarbeiten, die nach ihrer Meinung zu Unrecht genehmigt wurden.
Unterstützt wurden sie von Grünen-Chefin Claudia Roth und Helmut
Holter von den Linken. Aufgerufen zum Protest hatte die
Bürgerinitiative "Rettet das Landleben im Tollensetal".
"Wir fühlen uns nicht als Verlierer", meinte dessen Vorsitzender
Jörg Kröger. Die Bürgerinitiative habe mehrere Jahre den Baustart
der Anlage verzögern können, in der jährlich 10 500
Muttersauen bis zu 250 000 Ferkel produzieren sollen.
Über 700 Einwände seien gegen das Projekt des niederländischen
Investors eingegangen. Eine Vielzahl von Verbesserungen, wie unter
anderem bautechnische Veränderungen, seien erreicht worden. Jedoch
der Brandschutz sei nach wie vor nicht geklärt. Deshalb müsse der
Bau sofort gestoppt werden.
Die Rahmenbedingungen der Politik von der Regierungskoalition der
SPD und CDU würden jedoch derzeit eine Verhinderung solcher
Tierfabriken unmöglich machen. Das konnte die Bundesvorsitzende der
Grünen, Claudia Roth, nur bestätigen. Die Landwirtschaftspolitik in
Mecklenburg-Vorpommern sei rückwärtsgewandt, sagte sie gegenüber
Nordkurier. Während man anderswo zur bäuerlichen Landwirtschaft
zurückkehrt, die Nachfrage nach Bio und Öko steigt, sehe sie in MV
einen umgekehrten Trend. Tierfabriken, wie die geplante in Alt
Tellin, hätten nichts mit Tierschutz zu tun. Hier gehe es nur
um reinen Profit. "Touristen kommen nicht, wenn sie
riesengroße Betriebe mit Tierquälerei sehen", so Roth. "Es ist
furchtbar und abschreckend." Für sie war es keine Frage, die
Bürgerinitiative vor Ort zu unterstützen. "Es lohnt sich auf alle
Fälle weiterzumachen und zu protestieren." Die Anlagengegner seien
keine Wutbürger. Sie würden verantwortlich handeln und wollten die
Zukunft gestalten. Hellauf begeistert war die Grünen-Chefin vom
Auftritt der Bigband des Demminer Goethegymnasiums. "Die Bigband ist
ganz große Klasse, einfach toll", meinte sie strahlend und sparte
nicht an Beifall. Sie finde es gut, wenn junge Leute auf diese Weise
für die Sache demonstrieren.
Unterdessen forderte Dr. Jörg Gerke von der Arbeitsgemeinschaft
bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die ostdeutsche Bodenpolitik zu
überdenken. Diese sei die Voraussetzung für Agrarindustrie. Warum
große Anlagen vor allem in Ostdeutschland entstünden, habe den
Grund, dass hier große Betriebe mit bis zu 10 000 Hektar Fläche
existieren. Die könnten alleinig die Nachweisflächen für den
Investor liefern, wenn es um Auflagen zum Beispiel für die
Gülle gehe. In
Westdeutschland dagegen müssten sie sich mit mehreren Bauern
auseinandersetzen. Auch Gerke hat als Landwirt daran seine Zweifel,
dass mit Tierfabriken mehr Arbeitsplätze in die Region kommen
würden. Wenn der Investor sage, er schaffe 40 Arbeitsplätze, dann
würden dem gegenüber anderswo 30 auf der Kippe stehen.
"Es lohnt sich, auf alle Fälle weiterzumachen." |